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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 6)

A. Rodin, Der Denker 
(Pforte der Hölle) 
 
ausgeführt, sodann in Marmor (ausgestellt im 
Salon von 1888). Es sollte bei seiner ersten 
Vorführung Paolo und Francesca der „gött- 
lichen Komödie" vorstellen, aber der Künstler 
entkleidete es aller besonderen Beziehungen 
und liess nur übrig, was von idealer und unver- 
änderlicher Bedeutung war. Er hat daraus den 
ewig wahrhaftigen Typus des Liebenden und 
der Geliebten geschaffen. Der Mann, gross und 
stark gebaut, von fester, wohlgeformter Mager- 
keit, ist sitzend dargestellt; das Weib, körperlich 
in vollster Blüte, sitzt auf seinem linken Knie 
und wirft sich ihm lebhaft, voll Vertrauen und 
Sanftmuth entgegen, indem sie mit der voll- 
kommensten Geberde der Hingebung und Zärt- 
lichkeit seinen Hals umfasst, während er mit der 
Anmuth, in der sich die Kraft verbirgt, eine 
Hand auf den linken Schenkel des Weibes legt und mit dem anderen Arm 
es umschlingt. Und in diesem, zugleich feurigen und keuschen Aneinander- 
schliessen, dem Ausdruck des Vertrauens und der Schutzgewährung, 
begegnen sich ihre Lippen in einem vollen Kusse, mit dem die intime 
Vereinigung zweier Wesen besiegelt wird. 
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Hiemit werden wir zu Schöpfungen friedlicher und delicater Art 
geführt, voll erfrischender Poesie, gleich einer lebendigen Wasserquelle, 
bei denen Rodin, nach den körperlichen und seelischen Stürmen, in gleicher 
Weise ausdrucksvoll, wie die Aufregungen, die Gefühle der Angst und der 
krampfhaften Verzückung, auch die Süssigkeit der zarten und melancholischen 
Träume, die Lieblichkeit des antiken Mythos zu versinnlichen wusste. Hier 
sind „Orpheus und Eurydike", ihren dunklen Aufenthalt verlassend, dank der 
sinnreichen Herstellung in durchsichtigem Marmor, ganz in ein geheimnis- 
volles Licht getaucht, gleich der Dämmerung des jungen Tages nach den 
Finsternissen der Nacht; - „Adonis, durch die Nymphen geweckt", eine 
reizende, von einem Hauche Virgifscher Poesie berührte Gruppe; - „die 
Illusion als Tochter des Ikarus", bei der es der Phantasie des Künstlers 
gefallen hat, sie als eine geflügelte Göttin mit zartem, leuchtendem Körper 
darzustellen, die nach einem schrägen Fluge zu Boden stürzte - „die 
gefallene, ihren Stein tragende Karyatide"; - „der Poet und das Leben" (bei 
Rodin von einem jener Amateure [Herrn Fenaille] bestellt, deren Liberalität 
dem Künstler so manches seiner Werke auszuführen ermöglichte und die 
dafür die Freude geniessen, Kunstwerke einziger Art zu besitzen), eine 
decorative, von einem Capitell gekrönte Säule, um die sich zwischen Gehängen
	        
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