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von 1898 und ward sofort zum Gegenstand einer heftigen Polemik, eines
Kampfes, der einen Abschnitt in den Annalen des Salons bezeichnen wird.
Da der Künstler sich nicht darauf beschränken wollte, nur ganz einfach ein
plastisches Porträt des berühmten Schriftstellers zu geben (das Bildnis
eines grossen Mannes macht man nicht wie das sclavisch copirte Porträt
eines Dummkopfes, man interpretirt es), sondern vor allem die Absicht hatte,
zugleich mit dem äusseren Menschen Balzacs auch seinen Geist und seine
stolze Beurtheilung der Menschheit zu erfassen, so reducirte er alles
Äusserliche auf ein strictes Minimum, um durch die Elemente der Innerlich-
keit ein Ebenbild zu schaffen. Rodin hatte ursprünglich den Schriftsteller
stehend aufgefasst, mit der Kutte bekleidet, die er in seiner Behausung trug,
die Arme über der Brust gekreuzt, in einer Stellung, die Seelenruhe und
Beschaulichkeit ausdrückte; - sodann bei einem Tischchen mit aufgehäuften
Documenten stehend, in der Hand ein Manuscript zerknittemd, dargestellt.
Nachdem der Künstler seinen Gegenstand noch vollkommener erfasst hatte
und im Laufe der Jahre seine Neigung zu einer mehr und mehr synthetischen
und ausdrucksvollen Sculptur hervortrat, kam er endlich dazu, Balzac ohne
jedes Nebending darzustellen: aufrecht schreitend, mit seiner Kutte drapirt,
aus der nur das mächtige, zurückgeworfene Haupt hervorragt, sich kühn
erhebend, über der zu seinen Füssen sich bewegenden Menschheit, den
Blick in das Innere seiner eigenen Gedankenwelt gerichtet; das Ganze in
breiten Massen modellirt, bei denen nur die wesentlichsten Züge hervor-
gehoben sind.
Es war die logische und höchste Steigerung der durch Rodin immer
leidenschaftlicher verfolgten Untersuchungen der Bewegung und des Lebens:
um eine starke Intensität des Charakters zu erreichen, eine grössere Lebens-
kraft, hatte der Meisterin systematischer Weise allmählich die Modellirung
aller Theile, die im Wesentlichen die Bewegung ausdrücken, übertrieben,
ohne gleichwohl die Beziehungen der Theile untereinander zu verlieren (ein
Bestreben, das bei den vorbesprochenen Werken in fortschreitender
Vollkommenheit zum Ausdruck kommt). Diese gerechtfertigte und weise
Steigerung der Modellirung im Sinne der Bewegung und infolge dessen der
Beseelung der Personen, eine Steigerung, die zu gleicher Zeit zu farbigen
Effecten und zu Lichtwirkungen führt, die bei der weichlichen und glatten
Behandlung der gangbaren Plastik unbekannt waren, diese Technik, die das
Princip der grossen statuarischen Kunst der Antike und des Mittelalters
war, die man am Löwenthor von Mykenä beobachten kann, bei den Stieren
von Khorsabad, bei der Pallas von Ägina, bei den Statuen der Portale der
Kathedralen, sie erreicht ihr Summum im „Balzac": die Details, anstatt
gleichwertige Bedeutung zu haben, sind dem untergeordnet, was den
Charakter des Werkes ausmachen muss, und sind nurso weit angedeutet,
als sie diesen Charakter erhöhen können.
Unter allen Umständen aber war die Persönlichkeit ähnlich, trotz der
summarischen Behandlung (vielleicht, es ist wohl wahr, zu summarisch,