Wohnung eben Experiment; er stellte sich ein Problem und löste es von
seinem Standpunkte aus trefflich. An dem Besitzer war das aber eine Art
Vivisection. So wird nie eine trauliche Wohnung entstehen. Diese wird vor
allem von den Besitzern geschaffen und der Künstler ist, wie gesagt, mehr
Berather und Förderer, Ausgestalter; den Lebensinhalt, das ist die
künstlerische Idee, muss aber der Inhaber der Wohnung bieten.
Das wirkt in diesem Hause, in dem man vielleicht manche Einzelheit
sich anders gedacht hätte, eben so wohlthuend, dass ein Geist durch das
Ganze geht und nirgends vor Fremden Theater gespielt wird. Überhaupt ist
die „kalte Pracht", wie der Berliner, was wir „Salon" nennen, so treffend
bezeichnet, im ganzen Hause glücklich vermieden. Es sind nur Räume zum
dauernden Bewohnen, aber für ein kunstvoll verfeinertes Leben.
LUDWIG HEVESI-WIEN S0
MAX LIEBERMANN. Im Kunstsalon Pisko ist jetzt eine reichhaltige Ausstellung
von Liebermanniana zu sehen. Ölbilder, Pastelle, Zeichnungen, Radirungen, im
ganzen 72 Nummern. Sie vertheilen sich über ein Vierteljahrhundert und mehr, so dass
man theils Strecken des Weges sieht, den der Künstler gegangen ist, theils einige Stationen,
an denen er Halt gemacht hat. Aus frühester Zeit, vom Anfang der Siebziger-Jahre,
stammt ein „lnvalidenhaus". Dunkler Innenraum mit braunrothen Wandkacheln, im
Hintergrund ein hellgrauer Fensterausschnitt, in der Luft eine grosse eiserne l-Iängelateme,
die zur Perspective hilft; StaHage dunkle Männergestalten. In schwerer lackartiger Farbe
gemalt, auf dunkle Tonwirkung, in der noch französische Romantik aufklingt. Auch eine
„Küche" mit olTenem Herd ist in diesem Sinne farbig, ja braun-in-braun, aber doch keine
„Sauce", vielmehr voll Wärme und Wohligkeit. Eine meisterhafte Tonstudie. Dann
kommen Einflüsse von Fontainebleau, eine erdfarbene Natur, saftig und Beckig gesehen,
breit hingestrichen. Das grosse düstere Bild: „Im Rübenfeld" erinnert ganz auffallend an
Munkacsys schwarze Zeit. Es ist in einem schweren, schmutzigen Ton gemalt, in dem
die Luft stockt. Neun bäuerliche Figuren arbeiten in einer Reihe, jede anders gestellt;
ihre weissen Kophücher und Hemdärmel, von jenem tonigen Weiss, das auch Munkäcsy
gehabt hat, sind wie ein Schrei im Dunkeln. Es ist ein Ganzes von viel speciiischem
Gewichte, aber doch von einer ausgedachten Gesammtfarbe, die sich der Natur auferlegt;
die Ateliernatur ist noch nicht überwunden. Bis der Künstler diesen Sieg errungen haben
wird, kommen noch andere Versuchsstationen. Die „alte Frau am Fenster" ist eine solche.
Sie sitzt an einem breiten viereckigen Fenster, durch das
eine schlichte Landschalt in hellem Grün und Tagesgrau
hereinscheint. Dieser Fensterausschnitt ist eigentlich das
Beste an dem Bilde. Das herein fallende Licht streift die
alte Frau, die einen schwarzen Strumpf klickt; ihre weisse
Spitzenhaube, die eine Hand, die förmlich aufleuchtet und
den Strohsessel vor ihr. Alles rändert sich weiss und die
Schatten iiimmern von Reflexen. Es ist die Optik, die auch
Walter Firle und Uhde in den Achtziger-Jahren cultivirten.
Trotz brillanter Einzelheiten hat das Bild einen Beige-
schmackvonExperimentNamentlichfehltdasRaumgefühl
_ _ _ _ __ _ _ Frau Sucharda-Bouda, Blumentopf
und denDingen die Stabilitat. Liebermann selbst hat das in aus gebranntem Thon (x. Preis)