Agu
ARCHITEKTUR UND AUSSENDECORATION
AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG 5th
VON W. FRED-WIEN so
ER Weg nach Paris führt über Strassburg im
Elsass. Da gedenkt man des gothischen Bau-
werkes, das diese Stadt birgt, und es stehen
Einem jene theuersten Worte vor Augen, die
je über Baukunst gesagt wurden: Goethes Sätze
über das Strassburger Münster.
Mit den unklaren Vorstellungen über das
Wesen der Gothik, die aus generalisirenden,
deshalb also immer fehlgehenden Schul-
anschauungen herkamen, war Goethe in jene
Stadt gekommen. Alles war ihm Gothik gewesen,
was sichere Kennzeichen des Unzeitgemässen, des Überladenen, Unc0n-
gruenten hatte. Da durfte er nun im Banne dieses grossen, wahrhaft
gothischen Baudenkmals des Erwin von Steinbach erkennen, dass jeder Stil
in seinerReinheit seine Grösse hat, und der nach sicherer Erkenntnis Strebende
die Urformen jedes Stiles wird aufsuchen müssen, bevor er ihn beuxtheilen
darf.
Unter dem Eindrucke dieses Sinneswandels, da er ein unerhofftes Gefühl
der Bewunderung in der Brusttrug, wurden in Goethe jene Anschauungen
von der Baukunst fest, die er später, eben aus Anlass des Strassburger
Münsters, in folgenden Sätzen formulirte:
„ . . . Sie wollen Euch glauben machen, die schönen Künste seien
entstanden aus dem Hang, den wir haben sollen, die Dinge rings um uns zu
verschönern. Das ist nicht wahr . . . . . Die Kunst ist lange bildend, ehe
sie schön ist und doch so wahre, grosse Kunst, ja oft wahrere und grössere
als die schöne selbst. Denn in dem Menschen ist eine bildende Natur, die
gleich sich thätig beweist, wenn seine Existenz gesichert ist . . . . . So
modelt der Wilde mit abenteuerlichen Zügen, grässlichen Gestalten, hohen
Farben seine Cocos, seine Federn und seinen Körper. Und lasst diese
Bildnerei aus den willkürlichsten Formen bestehen, sie wird ohne Gestalts-
Verhältnis zusammenstimmen; denn Eine Empfindung schuf sie zum
charakteristischen Ganzen."
Ich habe in diesem Berichte über die architektonischen Leistungen der
Pariser Weltausstellung die Goethdschen Worte in den Anfang gesetzt,
weil sie den Gedanken enthalten, der auf dem Continent in der zweiten
Hälfte unseres Jahrhunderts fast verloren gegangen ist, und dessen Ver-
schwinden aus den Köpfen unserer Architekten die Baukunst auf der Aus-
stellung arg geschädigt hat. Ich meine den Gedanken, dass an einem Bau-
werke das Element der bildenden Kunst das stärkste sein muss, nicht das
Element der schönen oder vielmehr verschönernden. Im Constructiven