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Zu den wenigen wirklich modernen Gebäuden der Ausstellung gehört
ein lustig und geistreich gebauter Kiosk, „le pavillon bleu", ein Restaurant.
Die Abbildung zeigt, wie man mit geschick lotten Biegungen
ganz gut ein leichtes, originelles Haus erbauen kann, ohne zu Stuccatur,
assyrischen Ornamenten und anspruchsvoller Plastik Zuflucht zu nehmen.
Es mangelt hier der Raum, alle Reliefs und Fresken nur zu nennen, die -
manchmal von namhaften Künstlern - zum Schmucke der vielen
Ausstellungsbauten angefertigt worden sind. Ich möchte aber auch nicht
verschweigen, dass das meiste unter dem Niveau des Künstlerischen steht.
Eine angenehme A
und Dame, der die Facade des Thores beim Hötel des Invalides bildet und
die decorativen Künste in eingehenden Allegorisirungen darstellt.
Auch das Gemälde des „Pavillon des Forets, Chasses et Peches" von
Aubertin möchte ich noch von dem allgemeinen Tadel ausnehmen. In der
Salle des Fetes, die in der Maschinenhalle untergebracht ist, fällt unter weniger
als mittelmässigen Bildern, die sich mit der längst nicht mehr zeitgemässen
Allegorisirung von Arbeitsproblemen abgeben, Rochegrosses grosses Ge-
mälde auf, die schönen Künste und die Armee darstellend. Es ist in der
grosszügigen, aber auch wenig subtilen, gedanklich wie malerisch banalen
Art componirt, die so ziemlich alle Werke Rochegrosses aus den letztenjahren
charakterisirt.
. . . Man wird mit seinem Urtheile über die Architektur auf der Welt-
ausstellung nicht zurückhalten dürfen: Da meiste was da ist, ist Architektur
von gestern und vorgestern. Allzu weniges ist Architektur von heute. Und
fast nichts ist da was ein Keim für die Baukunst von morgen sein könnte.
Üie Architektur des zwanzigsten Jahrhunderts wird sicherlich andere Wege
gehen, als die von den Architekten dieser Exposition eingeschlagenen.
KLEINE NACHRICHTEN 50
ONDONER KUNSTNACHRICI-ITEN. Trotz Krieg in Süd-Afrika und Welt-
ausstellung in Paris ist die heurige Jahreszeit in London reich an künstlerischen
Ereignissen und Anregungen gewesen. Die Welt der Käufer und Beobachter zeigte das
gleiche Interesse wie sonst an allen Erscheinungen auf dem Gebiete der bildenden Kunst,
und diese selbst waren zum Theil so bemerkenswert, dass das Jahr xgoo im englischen
Kunstleben wenn nicht als epochemachend, so doch als hervorragend zu bezeichnen sein
wird. Da ist es vor allem die Jahresausstellung der königlichen Kunst-Akademie - die
hundertzweiunddreissigste seit dem Bestande-welche unter einer Menge von Mittel-
mässigexn und Geringwertigem einige so ausgezeichnete Werke zeitgenössischer Künstler
gebracht hat, dass das schon erlahmende Interesse an diesen Massenausstellungen wie
neu belebt schien. Freilich musste sich j edermann sagen, dass diese Werke unendlich besser
in anderer Umgebung und bei anderer Art der Aufstellung gewirkt hätten. Die gleichzeitige
Vorführung von über zweitausend Bildern in von oben bis unten dicht damit behangenen
Sälen ist ein derart barbarisches Überkommnis vergangener Zeiten, dass man sich
wundert, dass Künstler, denen um die Aufnahme ihrer Werke durch die Royal Academy