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Ich kann nicht leugnen, dass nur die englischen Interieurs mich befrie-
digt haben. Damit soll nicht behauptet werden, dass nicht in Deutschland
und Österreich - besonders von Olbrich möchte ich das glauben - starke
Talentproben die Möglichkeit einer
reichen Entwicklung geben. Allein, es
scheint mir nothwendig, es oft und
eindringlichzusagen: Eine gedeihliche,
über die flüchtige Modezeit hinaus-
reichende Ausbildung des sogenannten
modernen Stils nach der deutschen
und österreichischen Art wird nur
möglich sein, wenn man sich in den
betheiligten Kreisen darauf besinnt,
dass es nur zwei Elemente zur deco-
rativen Wirkung gibt: die Farbe und
die Linie, dass alles Figurale, alles
Gedankliche nur ausnahmsweiser
Schmuck sein darf, nichts mehr. Man
betrachte das Constructive wieder
mehr als das Decorative. Sonst ge-
rathen wir auf dem Continente, die
wir eben erst der Tapeziererkunst,
die seit Makarts Herrschaft herein-
brach, entronnen sind, von neuem in
eine Zeit der Schablone, der Äusser-
lichkeiten, ES kann niemals ein Lehnstuhl von Cutler and Girard (New York)
sein, von den Engländern etwa die An-
wendung von farbigem Velvetine, von Van de Velde die grossen geschwun-
genen Linien zu lernen und dann äusserlich weiter zu verwerten. Um die
Harmonie der Wohnungseinrichtung, die Anpassung des Hausrathes an den
Besitzer, die sich durch gewissenhafte Auswahl ergibt, um diese Art des
individuellen Interieurs handelt es sich. Wenn jeder Stand seine Möbel haben
wird, der Bürger nicht mehr einen Louis XVI.-Salon und der kleine Beamte
keine Empiresessel mehr ersehnen und in schlechter Imitation erstehen
wird, dann wird die Stimmung, die man jetzt so heftig von jeder Wohnungs-
einrichtung verlangt, nicht fehlen. Dann wird es auch, wenn durch den
Hausrath der richtige Rahmen für das tägliche Leben eines jeden gegeben
ist, möglich sein, dass jeder im Laufe der Jahre an seiner Wohnung weiter-
baut, so dass sie schliesslich ein Bild seines Lebens sein wird. Denn das ist
das letzte Ziel, und nicht etwa, dass schliesslich, selbst im bescheidensten
Raum, der Architekt die Hand im Spiele habe. Bevor wir aber dieses Ziel
erreichen, muss ein anderes näher gerückt sein: die ästhetische Erziehung
der Massen, und diese ist in erster Linie Aufgabe der Künstler.