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die Frage, ob der Hof nicht seinerzeit in italienischer Weise von offenen
Arcaden umgeben gewesen, eine präcise Antwort zu geben. Italienisch, wie
dieser quadratisch angelegte Hof, in welchem anlässlich der Vermählung
der Erzherzogin Maria Karolina mit Ferdinand IV. von Neapel 1767 der
Gesandte dieses Reiches das bekannte Ballfest gegebenß ist auch bis auf
die oben besprochene Treppenanlage, das gesammte Innere des Palastes mit
dem ganzen Prunk und dem ganzen Mangel an Comfort der Residenzen
einer Zeit, „in welcher die höchsten Stände Annehmlichkeiten und Genüsse
sich versagen mussten, deren Entbehrung einem Bedienten unserer Tage
unerträglich sein würde"? mit seiner, an der Wölbung mit Fresken ver-
zierten, mit herrlichen Consoltischen möblirten „Galerie", mit Mezzanin-
gemächem, in denen der ausgestreckte Arm eines Mannes die Decke berühren
kann und mit den weiten und hohen, an den Wänden mit Tapeten und
Gobelins, an den Plafonds mit herrlichen Stuckornamenten verzierten, zur
Repräsentation bestimmten Gelassen, die durch Prachtkamine ihre Wärme
hätten empfangen sollen, aber selbst durch die superben Rococoöfen, die
man im XVIII. Jahrhunderte in sie hineingestellt, nicht bis zur Behaglichkeit
erwärmt werden konnten.
Wir erlassen uns eine Schilderung der Appartements im Detail. Einen
besseren Begriff, als Worte zu geben vermögen, bieten die unserem Texte
beigefügten Abbildungen von dem „grünen Cabinet" und von den „Gobelin-
salons", vom oberwähnten Oratorium, von den beiden grossen Salons auf
der linken Seite. Mit Ausnahme des von seinen Sammttapeten so genannten
Grünen Cabinets und des Gelben Salons ist in den Tapeten Roth die vor-
herrschende Farbe, rothe Seide in der Galerie, deren Holzwerk wie das im
Oratorium lichtbraun ist und in den Ornamenten vergoldet.
Von den oberwähnten Bildern von Brandi und Solimena ist eines oder
das andere in den beiden grossen Salons zur Linken zu suchen, in welche
man von der Galeriestiege aus, auf der ausser den Rossi'schen Kolossalbildern
ein Reiterporträt des aus dem dreissigjährigen Kriege bekannten Generals
Grafen Buquoy von Pieter Snayers unser Auge fesseltß durch das mit
Landschaften von Christian Brand und Schinnagl geschmückte Entreezimmer
und durch den Speisesaal gelangt. In einer Nische eines dieser Salons (siehe
unsere Abbildung), deren Wände mit Stuckornamenten auf das reichste ver-
ziert, zieht das lebensgrosse Porträt des Oberststallmeisters Kaiser FerdinandsL,
Adalbert Harrach, gemalt von dem Augsburger Johann Ulrich Mayer (I63o
bis 1700) unsere Aufmerksamkeit auf sich, nebenbei da und dort an den
l Der l-Iof „wurde dem ersten Stockwerke des inneren Gebäudes von Holz gleich gebaut, so dass beide
nur ein Stockwerk auszumachen schienen und die Fenster des Hofes waren ebenso viele Logen für Zuschauer
aus den Zimmern. Alles war kostbar gernalen, vergoldet, mit Blumenkränzen und zu Statuen geziert".
Realis, a. a. O.
2 Macaulay, Geschichte Englands, III. Theil. „Täuschungen, welche uns dazu verleiten, das Glück
früherer Generationen zu überschätzen."
I Eine Tochter des Grafen Ferdinand Bonaventura heiratete einen Prinzen von Buquoy-Longueval.
Aus dieser verwandtschaftlichen Verbindung erklärt sich das Vorhandensein dieser Porträts und der anderen,
Snayers'schen, die Schlachten des Generals darstellenden Bilder in den Appartements und in der Galerie.