gegenseitig ergänzt und geheimnisvoll
von einander angezogen. Diese sachte
Bewegung des Mädchens, dieses
Schwanken zwischen Neugier und
Scheu ist von einer einfachen Ungeziert-
heit, wie sie nur starkes unmittelbares
Empfinden wiederzugeben vermag.
Von ähnlich zarter Empfindung
erfüllt, aber ganz in das Gebiet des
Märchens entrückt, sind: Die Begeg-
nung des Prinzen mit dem Mädchen im
Walde, Das Waldmärchen (ein Mädchen
und ein junges Reh schreiten durch den
nächtlichen Wald), In kühler Tiefe, und
andere ähnliche Motive. Immer ist es
das Ahnungsvolle, Unausgesprochene,
die bedeutungsvolle Ruhe und das stille
Selbstbehagen in der Natur, das den
Grundton angibt. Auch seinen Land-
schaften weiss er einen ähnlichen Stim-
mungsgehalt zu verleihen. Hier kommt
aber noch durch Unterdrücken des De-
Fm" Heim Sludiß tails und Betonen des Wesentlichen ein
derart grosser, fast heroischer Zug in das
Ganze, dass vor unserer Phantasie unwillkürlich Meuniers Bauerngestalten
auftauchen, um diese Felder und Ebenen mit Menschen zu beleben. So ist
es zum Beispiel im „Vogesendorf" und im „Kreuz in den Feldern" der Fall.
Im Illustrationsfache, auf das ihn bereits die Compositionen zum Liede
der triumphirenden Liebe gewiesen, ward ihm Gelegenheit geboten, die
synthetische Art seines Vortrages noch weiter auszubilden und mit einfachen
Linien und wenigen Farbtönen poetische Wirkungen zu erzielen. Seine
Blätter zu den Gedichten von Albert Roffhack, farbige Original-Lithographien,
reihen sich den vorzüglichsten Leistungen moderner deutscher Illustrations-
kunst würdig an, und das jüngst als neuntes Bändchen der Sammlung
Jungbrunnen (Berlin, Fischer ä Franke) erschienene Andersen'sche Märchen
„Der Reisekamerad" mit Illustrationen in der Art des alten I-Iolzschnittes in
Linienmanier reich ausgestattet, steht hinter den besten englischen Arbeiten
der Morris-Schule nicht zurück. Was aber noch mehr ist, in diesen schlichten
Zeichnungen verkörpert sich deutsches Wesen, deutsche Poesie und Empfin-
dungsweise in so hohem Masse, dass wir uns nicht leicht eine trefflichere
Bereicherung des Nationalschatzes an illustrirten Werken des Buchdrucks
denken können. Die Charakterisirung des Vorganges und die Schilderung
des Seelenzustandes der einzelnen Theilnehmer an demselben ist mit treu-
herziger Schlichtheit und sprechender Schärfe auf das einfachste durch-