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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 11)

von den Freunden der Kunst 
verlangen zu können. Es 
sieht fast so aus, als müsse 
sich eine neue Art der kunst- 
geschichtlichen Behandlung 
vorbereiten. Denn die Situa- 
tion ist doch in der That 
eine derartige, dass es nicht 
gut möglich ist, an ihren Be- 
stand zu glauben. 
Bisher haben sich aller- 
dings die zwei Disciplinen 
der Volkswissenschaft, Na- 
tionalökonomie und Kunst- 
geschichte, herzlich wenig 
 ' um einander gekümmert. 
 Aber es kann nicht lange 
mehr so bleiben. Und es 
wäre gut, wenn die Kunst- 
Franz "ßißisißdie geschichte bei Zeiten ein- 
sähe, dass sie der volkswirt- 
schaftlichen Kenntnisse gar nicht entrathen kann, und dass nur der Kunst- 
historiker zu einem Urtheil über die künstlerischen Leistungen des letzten 
Jahrhunderts berechtigt ist, welcher gleichzeitig ein guter Nationalökonom 
ist. Sonst könnte eines Tages der Fall eintreten, dass die Volkswissenschaft 
über die Geschichtsconstructionen und die Selbstherrlichkeit des Geschmacks- 
urtheils in den Werken der neuesten Kunstgeschichte zu spotten anhebt. 
Mag auch eine Geschichte der Kunst des XIX. Jahrhunderts nach dem 
durchdachtesten Systeme zu einem Wunderwerke ästhetischer Logik 
zusammengebaut sein oder mag ihr Verfasser mit der geistreichsten 
Subjectivität über die künstlerischen Leistungen des letzten Jahrhunderts 
zu urtheilen wissen: die Dauer der Wertschätzung eines solchen Werkes 
oder doch wenigstens die Geltung seiner Urtheile wird von jedem, der gewohnt 
ist, nach den Wurzeln der Dinge zu graben, ausserordentlich kurz veran- 
schlagt werden. Solange die Geschichtsbücher der neueren Kunst es völlig 
versäumen, den Motiven eines jeden charakteristischen, neu auftauchenden 
Kunsttriebes, den Förderungen und Hemmungen seiner Entwicklung bis in 
die letzten Wurzeln der physischen und psychischen Existenz einer Zeit 
nachzugehen, solange wird und müssen sie dem Nationalökonomen als 
phantastische Bauten erscheinen, denen gerade das Nothwendigste fehlt, 
nämlich die Grundmauern. 
Wie gesagt, es wäre gut, wenn die Kunstgeschichte nicht mehr zögern 
würde, die Arbeiten und die Erfahrungen der Volkswirtschaftskunde für 
sich zu nützen. 
 
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