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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 11)

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jener mechanischen Behelfe, wie sie zur präcisen Führung eines Zeicheninstruments oder 
zum Messen geeignet sind. Was gearbeitet wird, geschieht ausnahmslos freihändig. Auch 
die plastisch hergestellten geometrischen Körper und deren Durchdringungen sind aus 
freier Hand hergestellt. Der kindliche Schüler beginnt mit dem Zeichnen von Kreislinien, 
die wiederholt und ' 
oftmals in sich selbst 
zurückgeführt werden, 
um die Händchen in 
den nöthigen ununter- 
brochenen Schwung 
zubringen. DieserVor- 
gang erinnert an die 
vor etwa 50 Jahren 
und darüber stark ver- 
breitete, von vielen ge- 
rühmte, von anderen 
entschieden zurückge- 
wiesene amerikani- 
sche Lehrmethode des 
Schönschreibens, bei 
der gleichfalls die 
Elemente der Buch- 
staben, das Oval, die 
S-Linie u. s. w. auf 
einer und derselben Balkongitter, Wiener Arbeit (Österr. Museum) 
Stelle in vielfältiger 
Wiederholung geübt werden mussten. Dem Kreise folgt die Spirale, die Schlinge u. s. w., 
die sofort auch zu Compositionen ornamentaler Art verwendet werden. Die Linien 
als Umrisse betrachtet, führen zum Flachornament, dessen Formenreihe die Volute 
(der „Schnörkelä wie es im Text stets heisst) eröffnet. Rosetten und Ranken 
entstehen aus den Verbindungen. Kreise fügen sich masswerkartig ineinander, primitive 
Blattformen folgen und palmettenartige Gebilde. Hiebei wird auch schon der Phantasie, 
der Fähigkeit zu erfinden, freier Spielraum gelassen. Correcturen sind nicht erlaubt. 
Missglückte Arbeiten beginnen so lange von neuem, bis die nöthige Sicherheit und 
Vollkommenheit erreicht ist. Zu bemerken ist, dass alle diese Arbeiten noch nichts mit 
der Natur als Vorbild zu thun haben, die Vorbilder aber, die dem Schatze der Antike und 
sonst den alten Kunstweisen entnommen sind, immer in einfachst schematisirter Form 
verwendet werden. Die Übungen erfolgen sowohl mit der rechten, als auch mit der linken 
Hand; beide Hände sollen geschult, wo es angeht, auch gleichzeitig verwendet werden. 
Nach ähnlichen Grundsätzen wird der Vorgang beim Modelliren eingehalten, das mit dem 
Formen einer Kugel, eines runden Bällchens Thon beginnt und ordnungsmässig weiter 
fortschreitet. Lebende Wesen und Erzeugnisse der Technik, wie Möbel und Geräthe 
oder Gefässe, werden weiters beim Zeichnen, nach Umständen auch beim Modelliren 
verwendet. Durch Schnitzen scheinen hauptsächlich nur ornamentale Füllungen hergestellt 
zu werden. 
Bei allen diesen Arbeiten wird, wie es wohl selbstverständlich ist, der Wiedergabe 
der Gebilde aus dem Gedächtnisse grosse Bedeutung zugeschrieben. 
Bis hieher ist der Schüler vor jeder Theorie sorgsam gehütet worden. An deren 
Stelle trat die stricte zu befolgende Vorschrift. Man macht -, man nimmt hiezu -, es ist 
nicht gestattet -, so klingt es stets ohne nähere Begründung aus dem Munde des 
Lehrers. An das Warum zu denken, darf dem Schüler wohl gar nicht einfallen. Doch, wie 
sagt der amerikamüde Dr. Moorfeld? „We are in a free country." 
 
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