MAK

Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

MODE UND HANDARBEIT 
FHRBENSKHLH ZUM PRAKTISCHEN 
GEBRAUCH 
FÜR MODE, HHNDHRBEIT, TEXTILIEN, WOHNRftUME 
UND ALLE DEKORATIVEN KÜNSTE 
E s liegt in den Möglichkeiten einer fehr naben Zukunft, eine 
Farbenbarmonie als Mufik für das Auge zu verbreiten 
und zum Gemeingut des Volkes zu machen, in dem Grade 
etwa, wie die Mufik für das Ohr längft Gemeingut ift. 
Die Empfänglichkeit des Auges für Harmonien und Kontrafte, 
für die dicbterifcbe Behandlung der Farben, foll jener des Obres 
gleichkommen; das Verftändnis für die farbige Erfcheinung muß 
mindeftens fo entwickelt fein, wie für das Tongebilde, wenn die 
ficbtbare Kultur einen Fortfcbritt machen foll. Millionen von 
Menfcben find dem farbigen Einfluß zugänglich; inbezug auf 
die Tracht, auf die dekorativen Künfte, auf die Geftaltung des 
Heims ift ein ftarkes und ficheres Erfaffen der Farbenwerte 
unerläßlich für das künftlerifche Gelingen. Selbft dem dumpfen 
Geifte muß es klar werden, daß gewiffe Farben und Färbern 
Verbindungen eine ganz beftimmte, unzweideutige Wirkung 
erzeugen. Die Natur überbietet fleh in Grün und Blau, denn 
Grün find Wald und Wiefe und blau der Himmel, zwei Farben, 
die unteren Sinnen fcbmeicheln, und fie hat verhältnismäßig 
wenig Rot, das her ausfordert und aufreizt; wir können alfo 
nichts befferes tun, als in der Koloriftik die Lehre der Natur 
befolgen. □ 
Es hätte längft die Anftrengungen feitens der Univerfitäts« 
profefforen oder Profefforen der Kunftakademie verlohnt, eine 
Farbenfkala bervorzubringen, die auf den erften Blick zeigt, 
welche Abtönungen und Verbindungen angenehm und barmonifcb 
wirken. Es ift eine Aufgabe, eines lebenslangen Studiums wert, die 
bahnbrechend und reformierend wirkt und der Menfcbbeit das 
verlorene Paradies wieder bringt, das-Paradies der febönen Farbe. 
Aber wenn man all die ftumpfen, toten Farben in Stoffen, An- 
ftricben und dekorativen Arbeiten fleht, bat es nicht den Anfcbein, 
als wäre die Furcht vor der febönen Farbe künftlich genährt 
worden. □ 
Hier ift eine folche Farbenfkala! Eine Lifte von zwanzig Farben 
zum allgemeinen Gebrauch für die Tracht, für Bänder und 
Krawatten, für Textilien, für dekorative Künfte aller Art, fürHand= 
arbeiten, für Maler und Architekten, Keramiker und Graphiker, 
wie überhaupt für die bocbanfebnlicbe Akademie, die unter 
der Herrfcbaft der Sauce allzu tief in der Trübnis febmutpger 
gebrochener Farben flecken. In den Abhandlungen über die 
Mietswobnung wurde der unfelige Einfluß, den diefes Stadium 
der Malerei auf das Kunftgewerbe ausgeübt bat, mit einigen 
Strichen angedeutet; vielleicht gelingt es je$t, für das Kunft= 
gewerbe die beraldifche Reinheit der febönen, fatten Farbe zurück» 
zuerobern. □ 
Diefe Farbenfkala dient ausfcbließlicb praktifchen Zwecken. 
Sie enthält eine perfönliche Abfcbätpmg einer jeden der 380 
Kombinationen, die in diefer Skala enthalten find. Es wurde 
in den Abhandlungen über die Mietswobnung bereits auf den 
Vorzug der Harmonie des Kontraftes bingewiefen. Die Farben» 
fkala ift ebenfalls auf die Harmonie des Kontraftes aufgebaut. 
Die Harmonie der Übereinftimmung bedarf keiner näheren 
Erklärung. □ 
Man betrachte nun die nebenftebende Skala für den praktifchen 
Gebrauch. Wenn zwei Farben eine fcblecbte Verbindung ergeben, 
fo wird die Einführung von Grau, Weiß oder Schwarz den 
Mißklang größtenteils aufbeben. Begegnen fich zwei Farben in 
einer Verbindung allzu fchroff, fo wird es gut fein, fie fo weit 
als möglich auseinander zu halten. Jede Farbe erhöht und 
verfebärft ihren Wert, wenn Weiß danebengefe^t wird. Schwarz 
tut die gegenteilige Wirkung. □ 
Für eine Dreifarbenverbindung verwende man eine gute 
Kombination der Skala, wie Blau und Tannin, wähle fodann 
eine andere Farbe aus einer Verbindung, in welcher eine Farbe 
der erften Verbindung vorkommt, z. B. Weingelb, und vereinige 
fonach die drei, Blau, Tannin und Weingelb, indem man als 
mittlere oder am ftärkften betonte Farbe jene verwendet, die 
in beiden Verbindungen vorkommt, in diesem Falle Tannin. 
Für jede Farbe, die nicht in diefer Skala vorkommt, fuche 
man eine ähnliche, Creme für Elfenbein, Grau für Perle, Lachs für 
Blaßrot uff. In den meiften Fällen werden diefe Verbindungen 
Erfatj bieten; jedenfalls aber wird ein binzutretendes Grau, Weiß 
oder Schwarz oder eine Kombination diefer Farben ein bar» 
monifebes Ergebnis liefern. □ 
Die Farbenkombinationen find am beften auf die Art an« 
zuwenden, daß man eine Farbe führend bervortreten läßt 
und die anderen unterordnet. Ein ausgezeichnetes Beifpiel 
bietet uns der Rofenftrauch - um ein Vorbild aus der Natur 
zu wählen, die, wie gefagt, die befte Farbenkünftlerin ift. Zwei 
oder drei rote Rofen mit dem grünen Laub des Bufcbes, auf 
dem fie fich in ftrenger Kontraftwirkung abfetjen, bieten gleich» 
wohl eine unfagbar harmonifche Erfcheinung. Demzufolge wird 
aus dem Gebrauch der Farbenfkala der befte Effekt erzielt 
werden, wenn in den Zweifarben «Verbindungen eine Farbe 
reichlicher als die andere angewendet wird. Werden z. B. Blau 
und Braun zufammen verwendet, fo mag Blau vorberrfeben 
und Braun als kontraftierender Hintergrund gelten. □ 
Das Licht bat felbftverftändtich viel für die Wirkung der 
Farbe zu bedeuten. In Räumen mit wenig Sonne follen die 
warmen Farben vorberrfeben, Rot, Orange, Lachs und Gelb. 
Wo Überfülle von Licht herrfcht, find kalte Farben dankbar, 
Violett, Blau und Grün. Grau ift ausgezeichnet als Hinter» 
grund oder in einer Verbindung, die ftarkem Licht ausgefetjt 
wird. □ 
Die Farbenfkala ift für alte oben genannten Zwecke bedeutfam. 
Namentlich aber foll ihr Zweck für die Kleidung nicht verkannt 
werden. Helles Haar bat die Farbe eines blaffen Orangebraun. 
Die Haut ift eine leichtere Abfcbattung, es fei denn, daß fie 
ins Rötliche übergebt; die Augen bilden den einzigen Farben« 
kontraft. Ein leichter Ton von Blau, etwa Himmelbau, fleht 
einem Menfcben gut, deffen Haar und Gefichtsfarbe bell ift. Eine 
Perfon mit febwarzen Haaren kann Gelb tragen und alle roten 
Farben, mit Ausnahme jener, die in Orange binüberfpielen. Eine 
folche Perfon möge Violett vermeiden. Jemand, der blaffe 
Wangen bat, kann die Wirkung irgend einer Kleidfarbe erhöben, 
durch die Anwendung von delikatem Grün in der Krawatte. 
Wenn die Wangen von Natur höher gefärbt find, tut ein dunkleres 
Grün die beffere Wirkung. Bleiche Gefichtsfarbe fleht kränklich 
aus, wenn Gelb verwendet wird. Weiß ift ebenfalls unkleidfam 
für ein bleiches Gefleht, weil es die Bläffe erhöbt. Aber diefe 
Wirkung kann auch beabflehtigt fein. Grau paßt faft jedermann. 
64
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.