MODE UND HANDARBEIT
FHRBENSKHLH ZUM PRAKTISCHEN
GEBRAUCH
FÜR MODE, HHNDHRBEIT, TEXTILIEN, WOHNRftUME
UND ALLE DEKORATIVEN KÜNSTE
E s liegt in den Möglichkeiten einer fehr naben Zukunft, eine
Farbenbarmonie als Mufik für das Auge zu verbreiten
und zum Gemeingut des Volkes zu machen, in dem Grade
etwa, wie die Mufik für das Ohr längft Gemeingut ift.
Die Empfänglichkeit des Auges für Harmonien und Kontrafte,
für die dicbterifcbe Behandlung der Farben, foll jener des Obres
gleichkommen; das Verftändnis für die farbige Erfcheinung muß
mindeftens fo entwickelt fein, wie für das Tongebilde, wenn die
ficbtbare Kultur einen Fortfcbritt machen foll. Millionen von
Menfcben find dem farbigen Einfluß zugänglich; inbezug auf
die Tracht, auf die dekorativen Künfte, auf die Geftaltung des
Heims ift ein ftarkes und ficheres Erfaffen der Farbenwerte
unerläßlich für das künftlerifche Gelingen. Selbft dem dumpfen
Geifte muß es klar werden, daß gewiffe Farben und Färbern
Verbindungen eine ganz beftimmte, unzweideutige Wirkung
erzeugen. Die Natur überbietet fleh in Grün und Blau, denn
Grün find Wald und Wiefe und blau der Himmel, zwei Farben,
die unteren Sinnen fcbmeicheln, und fie hat verhältnismäßig
wenig Rot, das her ausfordert und aufreizt; wir können alfo
nichts befferes tun, als in der Koloriftik die Lehre der Natur
befolgen. □
Es hätte längft die Anftrengungen feitens der Univerfitäts«
profefforen oder Profefforen der Kunftakademie verlohnt, eine
Farbenfkala bervorzubringen, die auf den erften Blick zeigt,
welche Abtönungen und Verbindungen angenehm und barmonifcb
wirken. Es ift eine Aufgabe, eines lebenslangen Studiums wert, die
bahnbrechend und reformierend wirkt und der Menfcbbeit das
verlorene Paradies wieder bringt, das-Paradies der febönen Farbe.
Aber wenn man all die ftumpfen, toten Farben in Stoffen, An-
ftricben und dekorativen Arbeiten fleht, bat es nicht den Anfcbein,
als wäre die Furcht vor der febönen Farbe künftlich genährt
worden. □
Hier ift eine folche Farbenfkala! Eine Lifte von zwanzig Farben
zum allgemeinen Gebrauch für die Tracht, für Bänder und
Krawatten, für Textilien, für dekorative Künfte aller Art, fürHand=
arbeiten, für Maler und Architekten, Keramiker und Graphiker,
wie überhaupt für die bocbanfebnlicbe Akademie, die unter
der Herrfcbaft der Sauce allzu tief in der Trübnis febmutpger
gebrochener Farben flecken. In den Abhandlungen über die
Mietswobnung wurde der unfelige Einfluß, den diefes Stadium
der Malerei auf das Kunftgewerbe ausgeübt bat, mit einigen
Strichen angedeutet; vielleicht gelingt es je$t, für das Kunft=
gewerbe die beraldifche Reinheit der febönen, fatten Farbe zurück»
zuerobern. □
Diefe Farbenfkala dient ausfcbließlicb praktifchen Zwecken.
Sie enthält eine perfönliche Abfcbätpmg einer jeden der 380
Kombinationen, die in diefer Skala enthalten find. Es wurde
in den Abhandlungen über die Mietswobnung bereits auf den
Vorzug der Harmonie des Kontraftes bingewiefen. Die Farben»
fkala ift ebenfalls auf die Harmonie des Kontraftes aufgebaut.
Die Harmonie der Übereinftimmung bedarf keiner näheren
Erklärung. □
Man betrachte nun die nebenftebende Skala für den praktifchen
Gebrauch. Wenn zwei Farben eine fcblecbte Verbindung ergeben,
fo wird die Einführung von Grau, Weiß oder Schwarz den
Mißklang größtenteils aufbeben. Begegnen fich zwei Farben in
einer Verbindung allzu fchroff, fo wird es gut fein, fie fo weit
als möglich auseinander zu halten. Jede Farbe erhöht und
verfebärft ihren Wert, wenn Weiß danebengefe^t wird. Schwarz
tut die gegenteilige Wirkung. □
Für eine Dreifarbenverbindung verwende man eine gute
Kombination der Skala, wie Blau und Tannin, wähle fodann
eine andere Farbe aus einer Verbindung, in welcher eine Farbe
der erften Verbindung vorkommt, z. B. Weingelb, und vereinige
fonach die drei, Blau, Tannin und Weingelb, indem man als
mittlere oder am ftärkften betonte Farbe jene verwendet, die
in beiden Verbindungen vorkommt, in diesem Falle Tannin.
Für jede Farbe, die nicht in diefer Skala vorkommt, fuche
man eine ähnliche, Creme für Elfenbein, Grau für Perle, Lachs für
Blaßrot uff. In den meiften Fällen werden diefe Verbindungen
Erfatj bieten; jedenfalls aber wird ein binzutretendes Grau, Weiß
oder Schwarz oder eine Kombination diefer Farben ein bar»
monifebes Ergebnis liefern. □
Die Farbenkombinationen find am beften auf die Art an«
zuwenden, daß man eine Farbe führend bervortreten läßt
und die anderen unterordnet. Ein ausgezeichnetes Beifpiel
bietet uns der Rofenftrauch - um ein Vorbild aus der Natur
zu wählen, die, wie gefagt, die befte Farbenkünftlerin ift. Zwei
oder drei rote Rofen mit dem grünen Laub des Bufcbes, auf
dem fie fich in ftrenger Kontraftwirkung abfetjen, bieten gleich»
wohl eine unfagbar harmonifche Erfcheinung. Demzufolge wird
aus dem Gebrauch der Farbenfkala der befte Effekt erzielt
werden, wenn in den Zweifarben «Verbindungen eine Farbe
reichlicher als die andere angewendet wird. Werden z. B. Blau
und Braun zufammen verwendet, fo mag Blau vorberrfeben
und Braun als kontraftierender Hintergrund gelten. □
Das Licht bat felbftverftändtich viel für die Wirkung der
Farbe zu bedeuten. In Räumen mit wenig Sonne follen die
warmen Farben vorberrfeben, Rot, Orange, Lachs und Gelb.
Wo Überfülle von Licht herrfcht, find kalte Farben dankbar,
Violett, Blau und Grün. Grau ift ausgezeichnet als Hinter»
grund oder in einer Verbindung, die ftarkem Licht ausgefetjt
wird. □
Die Farbenfkala ift für alte oben genannten Zwecke bedeutfam.
Namentlich aber foll ihr Zweck für die Kleidung nicht verkannt
werden. Helles Haar bat die Farbe eines blaffen Orangebraun.
Die Haut ift eine leichtere Abfcbattung, es fei denn, daß fie
ins Rötliche übergebt; die Augen bilden den einzigen Farben«
kontraft. Ein leichter Ton von Blau, etwa Himmelbau, fleht
einem Menfcben gut, deffen Haar und Gefichtsfarbe bell ift. Eine
Perfon mit febwarzen Haaren kann Gelb tragen und alle roten
Farben, mit Ausnahme jener, die in Orange binüberfpielen. Eine
folche Perfon möge Violett vermeiden. Jemand, der blaffe
Wangen bat, kann die Wirkung irgend einer Kleidfarbe erhöben,
durch die Anwendung von delikatem Grün in der Krawatte.
Wenn die Wangen von Natur höher gefärbt find, tut ein dunkleres
Grün die beffere Wirkung. Bleiche Gefichtsfarbe fleht kränklich
aus, wenn Gelb verwendet wird. Weiß ift ebenfalls unkleidfam
für ein bleiches Gefleht, weil es die Bläffe erhöbt. Aber diefe
Wirkung kann auch beabflehtigt fein. Grau paßt faft jedermann.
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