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Volltext: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 1)

ein in rother Farbe von einem Holzmodel abgedruckter Legalisirungsstempel zu sehen 
ist, ferner drei arabische Holztafeldrucke aus dem IX. Jahrhundert, mit hochinteressanten 
Ornamenten. Alle übrigen Beispiele der „Vorstadien des Buchdrucks" stellte das Kupfer- 
stich-Kabinet, jene ebenso reiche als wenig bekannte und gewürdigte Sammlung, deren im 
Werk befindliche Reorganisation berufen ist, ihr den ihr gebürenden Rang unter den ersten 
Kupferstichkabineten zurückzugeben. Die Mitwirkung des Kabinets an der Ausstellung 
beschränkte sich diesmal darauf, die Einwirkung des Bilddruckes auf den Schriftdruck und 
die ersten Beispiele der Vereinigung beider in den verschiedenen Drucktechniken darzu- 
stellen. Es wurde dabei nicht streng chronologisch mit der Erfindung des Typendruckes 
abgeschlossen, sondern es wurden auch spätere Beispiele von verschiedenen Reproductioris- 
techniken (Kupferstiche, Schrotblätter, Weissschnitte, Teigdrucke) bis gegen das Ende der 
Incunabelzeit dargeboten, Techniken, die, unbeeinflusst vom Typendruck, zum Theil 
consequente Fortbildungen früherer Stufen darstellen, zum Theil als Vervielfältigungs- 
verfahren für Bilddruck einer grossen Zukunft entgegengingen, zum Theil abstarben, ohne 
eine künstlerische Blüte erreicht zu haben. 
Als eigentlicher Vorläufer und Wegweiser des Buchdruckes muss der Holzschnitt 
gelten, dessen älteste zur Ausstellung gelangte Beispiele sicher bis an das Jahr 1400 heran- 
reichten. Die ausgestellten Blätter waren nach einem einheitlichen Gedanken angeordnet. 
An eine Anzahl höchst alterthümlicher religiöser Bilder ohne jede Schrift waren einige 
andere gereiht, auf denen sich in gleichzeitiger Handschrift einige Worte, der Name des 
dargestellten Heiligen oder der Text eines kurzen Gebetes oder ähnliches ein- oder unter- 
geschrieben zeigte. Statt diese Beischriften auf jedem einzelnen Druck einzutragen, lag es 
nahe, die Worte mit in den Holzstock selbst zu schneiden. Dieser Gedanke erschien auf 
den zunächst liegenden Blättern bereits verwirklicht. Je weiter herab es in der Zeit geht, 
umso reicher und mannigfaltiger treten die Texte auf, sie dringen auf breiten Spruch- 
bändern in das Bild selbst ein, bis sie endlich in den letzten ausgelegten Beispielen 
geradezu das Übergewicht gegenüber dem Bild gewinnen. Ein letzter Schritt in dieser 
Richtung ist es, Text allein in Holz zu schneiden und mehrere solche Blätter, eventuell 
combinirt mit Bildblättern, zu Büchern zu vereinigen (Blockbücher). An charakteristische 
Beispiele aller dieser Stadien schlossen sich die ersten in Typendruck hergestellten Bücher 
an. Die Berechtigung einer solchen systematischen Reihung der Beispiele in einer der- 
artigen Ausstellung ist gewiss nicht zu bestreiten, wenn zugleich durch genaue Angaben 
auf den Objecten beigelegten Zetteln dem Irrthum von vornherein begegnet wird, 
dass die aufgestellte Anordnung etwa genau dem chronologischen Verlauf entspreche. 
Gewiss hat vor Erfindung des Typendruckes der Druck geschnittener Schrift in Verbindung 
mit dem Bilddruck stattgefunden. Wir wissen aber heute ebenso bestimmt, dass mit jener 
Erfindung die Schnittschrift nicht aufgehört hat, sondern dass sie gerade erst jetzt in 
lebhafter, aber freilich aussichtsloser Concurrenz bis über das XV. Jahrhundert hinaus 
weitergeübt wurde. 
Unter den etwa 25 bis 30 ausgestellten l-Iolzschnittbildern befand sich beides, rohe 
Handwerksarbeiten, welche nur ganz primitiven Bedürfnissen der grossen Masse entgegen- 
kommen konnten, und wirklich hohe, edle Kunstleistungen. So zeigten zwei von den ältesten 
Stücken, eine „Ruhe auf der Flucht" und eine „Kreuzigung" (Schreiber 1506 und 657), 
die gewiss aus den ersten Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts stammen, höchst merkwürdig 
wuchtige Formen von einer gewissen decorativen Grösse. Von den späteren soll nur das 
herrliche Paar, heilige Barbara (Sehr. 1250) und heiliger Georg (Schr. 145 5) erwähnt werden, 
mit ihren lieblichen, gleichsam verklärten Formen und ihren zarten Farben, ferner die in 
lebhafterern Farbenglanze erstrahlende Verkündigung (Schr. 55) und vielleicht das schönste 
von allen, ein heiliger Jacob (Schr. x 503), von einer so reinen, keuschen ausgereißzen 
Stilschönheit, dass man an die Blüte der japanischen Kunst denken muss. Unsere 
Künstler haben das wohl begriffen. Bei ihnen hatten diese alten Blättchen einen 
vollen Erfolg.
	        
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