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denn es soll ja wieder eine Zeittracht geschaffen werden, wie sie eben früher bestand von
derZeit der ersten Pyramiden bis zum Sturz des Empire. Man will, dass das Kleid von innen
heraus geschaffen wird, vom Körper als Gerüst aus, danach die Normen suchend.
Anlässlich des deutschen Schneidertages in Krefeld (August 1900) fasste der Director
des dortigen Kaiser Wilhelm-Museums, Dr. Deneken, diese Fragen zusammen und ver-
anstaltete eine Ausstellung moderner Frauencostüme, deren Entwürfe hervorragende
Künstler der Neuzeit, in erster Linie Van de Velde, dann Mohrbutter, Pankok, Riemer-
schmid, Frau von Brauchitsch, hergestellt hatten. Es wurde ein Album der besten
Stücke herausgegebenf Ein grosses Interesse trat allenthalben hervor, besonders in
Wien. Wir haben ja genug guten Boden. Der notorisch gute Geschmack der Pariserin
brauchte zum Beispiel nur in die rechten Bahnen gelenkt zu werden und das hohe Lied der
chicen Wienerin ist zu oft gesungen worden, als dass es hier noch besonders erwähnt
werden müsste.
Die Krefelder Ausstellung war der erste Versuch. Zwar hat sie genug Dauemdes ge-
schaifen, aber die Führer der Bewegung, Dr. Deneken und Van de Velde, werden gar nicht
weiter böse sein, wenn unsere Damen einen grossen Theil der Entwürfe selbst verwarfen.
Das Wesentliche ist das Princip, die Idee, welche die Ausstellung ins Leben rief; von hier
aus soll eben weiter experimentirt werden. Wie das geschehen soll, durch einen Verband
oder eine Zeitschrift etwa, das wird die Folgezeit ergeben. Van de Velde hat anlässlich der
Krefelder Ausstellung einen instructiven Vortrag gehalten, der im Druck erschien und nicht
genug empfohlen werden kann."
Van de Velde führt aus, dass diese Versuche die letzte Etappe auf dem Eroberungs-
wege des modernen Künstlers bedeuten. Die Zeit war dazu gekommen. Im Jahre 1900 ver-
anstaltete ein Museumsdirector eine Kunstausstellung, die - Damenkleider enthielt. Zuerst
müsste die fortwährend wechselnde Mode bekämpft werden. Trotz dieses Wechsels war
sie eigentlich nie schöpferisch. Das sollte doch zum Denken Anlass geben. Schöpferisch
aber und voller Logik war die Tracht unserer Vorfahren.
Was früher an Reformplänen auftauchte, war puritanisch und der Schönheit zuwider-
laufend, daher für die Frau unannehmbar (sog. Reformtracht) oder rein physiologischen
Gründen entsprungen (Kampf gegen das Corsett, sehr wertvoll allerdings). Heute ist der
Schnürleib constructiv und logisch. Der Künstler, der heute ein Kleid entwirh, muss sich
ein klares Bild machen von dessen Wesen und Zweck. Vor allem soll er alle überßüssigen
Verzierungen weglassen, die immer noch mitgeschleppt werden. Der junge Darwin hat
im Jahre 1872 die Evolutionstheorie des Vaters auf die Kleidung angewendet; er hat
bewiesen, dass das natura non facit saltum auch hier gilt. Die Moden folgen eine aus der
anderen mit Stetigkeit, entwickeln sich, übertreiben und schleppen auch überflüssige
Theile eine Zeitlang mit, sie schaffen sich auch neue passende.
Zur Logik der Kleidung gehören nach Van de Velde die sichtbaren Nähte, auch ist
als Schmuck die abstracte Ornamentik entschieden vorzuziehen. „In der naturalistischen
Ornamentik ist die Wahl der Verzierungsornamente von dem Zufall des Geschmacks oder
des Gefühls abhängig. In der Ornamentik, die ich begründet habe und deren Berechtigung
ichvertheidige, sind die anzuwendendenElemente Sache des Verstandes, der logischen Noth-
Wendigkeit. Wo der Künstler des Naturalismus ein Thier, eine Blume oder eine nackte
Figur je nach seiner persönlichen Neigung und den augenblicklichen Eingebungen seiner
Phantasie anbringt, füge ich eine Verzierung hinein, für die mir keine andere Wahl bleibt.
Sie wird genau der vorhandenen Raumform angepasst und ihre Motive entwickeln sich
der Linienführung des Raumes entsprechend."
" Album moderner, nach Kilnstlerenlwilrfen ausgeführter Damenkleider. 32 Tafeln. Düsseldorf, Fried-
rich Wolfrum.
m" Die künstlerische Hebung der Frauentracht. Krefeld igoo, Krarner und Baum.