DIE EDELSCHMIEDEKUNST AUF DER PARI-
SER WELTAUSSTELLUNG 54' VON FRITZ
MINKUS-WIEN 54'
1541i; i
und auf den meisten übrigen Gebieten der Fall
war, hatte auch hinsichtlich der Edelschmiede-
kunst einzig Frankreich auf der Pariser Welt-
ausstellung in so erschöpfendem Masse ausge-
stellt, dass sich auf Grund des in der Ausstellung
Dargebotenen ein sicheres Urtheil über den der-
zeitigen Stand dieses Zweiges des kunsthandwerk-
lichen Schaffens bilden liess. Dieses Urtheil deckt
sich, was die Frage nach der Vorgeschrittenheit
der modernen Bewegung anbelangt, keineswegs mit dem Urtheile, das
über die französische Juwelierkunst gefällt werden durfte. Dort hatte die
Moderne nahezu die quantitative, sicherlich aber die qualitative Übermacht der
Aussteller, unterLaliques genialerAnführerschaft, zu ihren eifrigsten und erfolg-
reichsten Bekennern gezählt; der noch in alter Weise arbeitende Juwelier
durfte guten Gewissens als Rückschrittler, zum mindesten als Nachzügler
bezeichnet werden. Hier hielt, weitaus überwiegend, nicht nur die zahl-
mässige, sondern allergrösstentheils auch die wertmässige Mehrheit der
Exponenten am alten Stilgeiste fest; der in modernem Geiste schaffende Gold-
schmied konnte getrost einer weit vorgeschobenen, mehr oder minder
ungewissem Schicksale entgegengehenden Vorhut verglichen werden.
Diese Erscheinung erklärt sich keineswegs durch das Fehlen einer
grossen, mit sich fortreissenden Führergestalt, wie sie die Juwelierkunst in
Lalique gefunden hat; das Gebiet des Schmuckes ist zu nahe verwandt,
Laliques Künstlerschaft eine viel zu universelle, als dass die französische
Goldschmiedekunst von diesem Einflüsse hätte unberührt bleiben können,
wenn nicht ein starker Gegeneinfluss sie ihrer bedeutenden Majorität nach
im alten Fahrwasser zurückgehalten hätte. Die Quelle dieses Gegeneinflusses
ist im Publicum zu suchen.
Während die vornehmste und conservativste Classe der Gesellschaft
selbst ihr ältestererbtes Familiengeschmeide - als wesentliche Ingredienz
der dem raschen Modewechsel unterliegenden Kleidung - seit jeher alle
paar Jahre umfassen zu lassen pflegt, hat sie es seit langem als Pietäts-
pflicht angesehen, das überkommene Edelmetallgeräth unverändert Kindern
und Kindeskindern zu hinterlassen. Dieser Brauch hat ungemein weite Kreise
gezogen; man sehe doch, mit welchem Stolze auch in den einfachsten
Familien das Ausstattungssilber der Mutter, Grossmutter und Urgrossmutter
bewahrt und benützt wird, während die Hausfrau durch alle Pietät der Welt
nicht zu bewegen wäre, etwa das breite, goldblecherne, amethyst-
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