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Volltext: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 3)

AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 54b VON 
LUDWIG HEVESI-WIEN Sie 
KÜNSTVVERKE AUS KAISERTAGEN. In der XxVllLjahresausstellung der 
Künstlergenossenschaft, die Mitte März eröffnet wurde, befindet sich eine Anzahl her- 
vorragender Werke, deren Mittelpunkt die erhabene Person des Kaisers bildet. Die bilden- 
den Künste, die dem allerhöchsten Kunstherrn Österreichs so unabsehbar viel verdanken, 
haben durch seine Fünfzigjahrfeier den Anstoss zu Leistungen erhalten, die dereinst Glanz- 
punkte in einer historischen Ausstellung der Francisco-Josephinischen Zeit bilden werden. 
Mehrere dieser Werke tragen das bedeutsame Datum: Bemdorf, 27. September 1899. So 
vor Allem zwei grosse Gemälde, indenen Herr Arthur Krupp durch Hans Temple und 
Rudolf Swoboda die beiden denkwürdigsten Scenen des Berndorfer Kaisertages verewigen 
liess. Temple hatte die Eröffnung des Kruppschen Arbeitertheaters zu malen, Swoboda 
den Besuch Sr. Majestät „am Brand", im Schlosse des Bauherrn. Man ist noch aus der 
schulästhetischen Zeit her ein wenig gewöhnt, ceremonielle Scenen dieser Art von vome- 
herein als unmalerisch zu verdächtigen. Aber der Begriff des Künstlerischen ist doch heute 
wesentlich erweitert. Seitdem der falsche Reichthum des obligaten Galerietones uns 
ebenso unecht erscheint, wie ein nachgeahmter jamnitzerpocal, hat auch die gemalte Zeit- 
geschichte gewonnenes Spiel. Eine oflicielle Scene in aller Nüchternheit des zerstreuten 
Tageslichtes ist wieder malbar, und sogar der weisse Stuccosaal eines Theaters voll 
schwarzer Fräcke, die das Einzige an Farbe sind, was die elektrische Beleuchtung nicht 
frisst. Es ist noch nicht lange her, dass die Wirklichkeit einer solchen Scene selbstver- 
ständlich nach irgend einem bewährten Farbenschlüssel tonalisirt werden musste. Temple 
hatte keine Farbenphantasie zu malen, sondern die ausführliche verlässliche Chronik eines 
grossen culturgeschichtlichen Momentes. Er stellt den Augenblick dar, wo der Kaiser mit 
dem Erzherzog Rainer in der l-lofloge des Berndorfer „Arbeitertheaters" erscheint und 
das ganze Publicum sich wie ein Mann erhoben hat, ihm seinen Jubelgruss darzubringen. 
Der Kaiser neigt sich huldvoll dankend, in der Loge gegenüber stehen der Ministerpräsident 
Graf Thun und der Präsident des l-Ierrenhauses, Fürst Windisch-Graetz, in der Loge unter 
der I-Iofloge die Generaladjutanten Graf Paar und Feldzeugmeister Freiherr von Bolfras und 
der Flügeladjutant Fürst Dietrichstein. Die Herren im Parquet stehen als dichte dunkle Masse 
da, ganz bestreut mit den hohen weissen Lichtern der Plastrons und Cravaten, einige 
Uniformen schlagen mitten darin ihre farbigen Noten an und gegen dreihundert Porträtköpfe 
in kräüigem Fleischton illuminiren die Scene gleich ebensovielen Lampions auf einem 
japanischen Feste. Die Galerie aber windet sich mit ihren hellen Damentoiletten, Gräfin 
Kielmansegg und Frau Krupp in der Mitte, einem Blumengewinde gleich um das Halb- 
rund des Zuschauerraumes. Und alle diese Augen hängen am Kaiser, jeder Mund, jede 
Hand huldigt ihm. Das Augenblickliche der ganzen Ovation ist vom Künstler mit Energie 
concentrirt. Überhaupt sieht man dem Bilde seinen Entschluss an, positiv zu sein. Der 
Muth zur Sachlichkeit spricht aus jedem der kleinen Porträts, das Pliichtgefühl des künst- 
lerischen Berichterstatters aus jeder Einzelheit der Scene. Trotzdem fehlt es nicht an 
Ziigen, die an modernste Malerei erinnern; etwa wenn er sich beeilt, das blaue Tageslicht 
durch die Thüre in den Festnebel des Saales hereinbrechen zu lassen oder das scharfe 
Grün der Kränze gegen das Roth der Draperien zu setzen. - Das Bild Swobodas hat eine 
viel weichere Stimmung. Die Ehre, die der Kaiser dern Krupp'schen Hause erweist, wird 
mit so viel Liebenswürdigkeit erwiesen, dass sie an die „Austriaca humanitas" erinnert, 
die wir gelegentlich in der lateinischen Inschrift an einem Palazzo zu Montepulciano 
gerühmt fanden. Unter den Personen, die vorgestellt werden sollen, befinden sich auch 
ein Landwehrhauptmann - es ist Baurath Ludwig Baumann, der Erbauer des Schlosses 
am Brand g, der Schriftsteller Karlweis und vier Arbeiter. Der ganze Vorgang lässt auch 
zwanglose Gruppenbildungen zu, in deren einer Erzherzog Rainer erscheint, überhaupt klingt
	        
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