Er dachte sich das Musikzimmer im Hause eines feinsinnigen Kunstfreundes, der
einen gewählten, intimen Kreis von Hörern bei sich versammelt. Die Vorstellung aristo-
kratischer Hausmusik wird durch den Raum erweckt, wie durch die Widmungen, die über
Beethoven'schen Sonaten stehen. Kein Componistenstudirzimmer in stiller, wohl-
umrundeter Geschlossenheit, in dem Musik empfangen und geboren wird, sondern ein
kleiner Repräsentationssaal für fertige Musik. Vom Hörer aus ist er componirt, nicht vorn
Spieler. Daher wirkt als beherrschend für den Raum das Mittelarrangement der Sitze:
freistehend im Halbbogen geführt das grosse Sofa in den vomehm-schlanken Empirelinien,
in der taktvollsten Schlichtheit der Ausstattung, nur wirkend durch das edle Mass, das
gedämpßze Grau des Bezuges und den klingenden hellen Ton des Citronenholzes. Zu Häupten
des Sofas, überragend wie eine Herme, Wollecks Beethoven-Maske. In dem Halbkreis steht
ein Rundtisch, die Fussplatte aus hellem Holz, darüber eine strebende, feingliedrige, dunkle
Säulenordnung, auf ihnen ruhend eine Platte von Marmor.
Dieser helle Farbenaccord, mit ganz discretem dunklen Unterton gedämpft, klingt im
ganzen Zimmer wieder. Vorzüglich in den geschmackvollen Pfeilerschränkchen, die die
Wandüächen säumen und als Büstenträger gedacht sind. In Architektur und Coloristik sind
sie erlesen gestimmt. Ein niedriger Sockel aus dem hellen Citronenholz, geschmückt durch
eine schmale Intarsienzierleiste aus grünem Linienspiel. Darüber von vier zierlich
gewachsenen, harmonisch an- und abschwellenden Säulen flankirt, ein offenes I-Ialbrund
mit Krystallspiegelhinterwand. Schlanke Blumengläser mit langstieligen Kelchen soll
diese Nische bergen. Auf den Säulencapitälen, die moderner Pilanzenstilisirung sich
zuneigen, der Architrav und das Dach, in das wieder die Zierleiste eingelegt ist.
In einem mit sehr zweckmässigen Klappwerkkastenfächern ausgestatteten commode-
artigen Möbel werden die Motive noch einmal alle gesammelt. Den Flügel dazu passend
herzurichten, hat Eckmann unterlassen. Das ist zu loben. Der Flügel ist die Isola bella
dieses Raumes, feierlich in der gewohnten Tracht des ernsten Schwarz steht er in dem
hellen Licht. Es wäre pedantisch und kleinlich, durch besondere Merkmale, die seiner
Sachlichkeitsgestalt doch nur als äusserlich angeheftet erscheinen würden, ihn'in die
Uniform des Ganzen einzugliedem.
Dem repräsentativen Charakter dieses Interieurs gegenüber steht die dämmemde
Intimität des Vogeler-Stübchens. Eine Vignettenkleinkunst hat es ersonnen. Man denkt hier
an Vogelers Liederbuch, das in seiner Handschrift facsimilirt und mit leicht hingehuschten
zeichnerischen Noten geschmückt ist, und man denkt an die preciöse Anmuth der
Almanache vom Anfang des vorigen Jahrhunderts. Helles Eschenholz mit leicht gekerbtem
Schnitt in den Längspfeilern und oben mit dem Empireguirlandenmotiv geschmückt, rahmt
die Thürfüllungen. Die Fenster sind mit Holzgitterwerk getheilt, dass durch die kleinen
Scheibchen die Welt draussen wie ein Spielwerk erscheint. Und zwischen den Scheiben
stehen steifglockige Blumen.
Die Wände grau bespannt, in hellgelbe Holzleisten gefasst. Die Beleuchtung: ein
Fries silberner Miniaturblaker mit zarten, milchigen Bimchen. Schlank und schmal sind
die halbhohen Panneelschränckchen mit ihren ovalen Verglasungen, die Bijoux und
Souvenirs zeigen, und doppelarmige fiachprofilige Leuchter und coquette Spiegelchen.
Das Hauptstück aber ist der Sofaaufbau im Grunde des Zimmers mit dem von
Guirlanden umschlungenen Dach und der zierlichen Holzarchitektur. Die Rückwand ist
grauviolett ausgeschlagen. Auf ihr spannt sich in Kopfhöhe eine gestickte Leiste: zarte
schimmernde Birken mit zitterigem Haargezweige und hinter ihnen dämmernd ziehende
Segel. Dieser Fries ist die Nuance des Zimmers. Es ist ein deutsches Landschaftsomament
mit der Grazie und der spielenden Hand japanischer Schmuckkunst hingesetzt.
So zeigen beide Interieurs, Eckmanns und Vogelers, Empireanklänge, belebt und
erwärmt durch japanische Kleinkunst und, das ist die Hauptsache, durch die Geschmacks-
auslese, durch das Zusammenweben der Elemente, lebendige Persönlichkeitsstimmung.
Beide Interieurs sind aber auch anspruchsvoll, sie verpflichten, sie eignen sich nicht zum