MAK

Volltext: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 3)

Allgemeingut. Sie fordern Menschen als Staffage, die selber Stil haben. Auf diesen Möbeln, 
zwischen diesen Wänden Typen, die nicht stimmen, das müsste schmerzhaft oder grotesk 
wirken. Eine sehr gute Probe auf die innere Echtheit dieser Räume, darauf, dass sie nicht 
nur Chambres garnies sind, sondern auch lndividualitätsausdruck, psychologische Zimmer 
sozusagen, ist's, dass ihre Componisten völlig hineinpassen. Kein besserer könnte in dem 
Musikzimmer, in dem Musikzimmer eines Modernen, der die feinen Reize der Vergangen- 
heit schätzt, die Honneurs machen, als der schlanke, elegante Eckmann mit der nervösen 
Intelligenz seiner Züge. Und auf dem überdachten Sofa könnte schwerlich ein anderer 
geziemender sitzen, als Heinrich Vogeler in der altväterischen Gravität seiner geschweiften 
Röcke und der vielfach verschlungenen Halstücher. Dieses Interieur passte wohl auch am 
besten in sein eigenes weisses Landhaus, das in Worpswede steht, und das er im Bild 
verewigte. Hoch der Giebel, die Baumgipfel ineinander verwachsen, ein Heckenzaun mit 
Thür aus Lattenwerk und kugelgekrönten Steinpfeilern, die Treppe von breitgeschweiften 
Wangen eingefasst, die als Schlusstücke Kuppelbäume tragen. Zu diesem Garten und zu 
diesem Interieur stimmt das Lied Otto julius Bierbaums, das in Wolzogens „Überbrett " 
allabendlich in der lieblichen Tracht von 1830 gesungen wird: 
Ringelringelrosenkranz, 
Ich tanz rnit meiner Frau, 
Wir tanzen um den Rosenbusch, 
Klingklanggloribusch . . . 
Die Geschmackswelt dieses Interieurs ist aufs engste den litterarischen und zeich- 
nerischen Neigungen zum Stilisiren und zum Spielen mit den Gefühlsornamenten 
vergangener Zeit verwandt. 
Bei Keller und Reiner findet man ferner guten Überblick über moderne Stoffe. Die 
Aufnäharbeit steht in voller Blüte. F. und H. Wille zeigen Geschmack in der Wahl farbiger 
Abtönung und in der ornamentalen Führung. Sie bleiben mit ihrer decorativen 
Beglückung auch nicht bei den üblichen Stücken stehen, bei Kissen, Tischläufern, Deckchen, 
sondern sie haben sich unternehrnungslustig auf die dankbare Fläche der Damencapes 
gestürzt. Auf ihr lassen sie Wunderblumen spriessen, die bis zum Halse seine Trägerin 
umranken. 
Noch eines anderen, bisher von der Schmuckkunst vernachlässigten Möbels haben 
sie sich samaritisch angenommen, der altmodischen Kannenwärmermütze. Brave, aber 
kunstverlassene Hausfrauen pflegten sie mit emsiger Hand aus Wolle zu stricken, eine 
Riesendorrneuse. In der Wille'schen Wiedergeburt, aus wattirter Seide mit allerliebstem 
Applicationsspielwerk, gleicht diese Wärmehalle einer exotischen Fürstenmütze. 
Sehr reizvoll und apart sind moderne Velvets, auf die das Muster nicht gedruckt ist, 
sondern aus denen es, der Holzbrandmalerei ähnlich, herausgeätzt wird. Eine vollendete 
organische Wirkung wird dadurch erzielt, eine Abschattirung, ein Übergeben der Töne, 
die der einfache Aufdruck nie erreicht. Bei ihm kommt das Muster von aussen als 
äusserliche Hinzufugung auf den Stoff, hier wird es aus dem Stoff herausentwickelt. 
Die Motive sind von discretem Geschmack, alles nur ganz leicht und angedeutet, verästelte 
Bäume, Blütenzweige, feines Filigranwerk der Sträucher, und das alles ohne jeden 
betonten Farbencontrast, fast Ton in Ton schimmernd. Als Paraventfüllung vor allem sind 
diese Stoffe, die erst gespannt zum vollen Ausdruck kommen, dankbar. Entfernt ver- 
wandt scheinen sie den holländischen Batiks, die ja auch ihr farbiges Decor nicht mit 
Aufdruck erzielen, sondern durch chemischen Einfluss aus dern Grundton entwickeln. Die 
Batiks wirken aber farbenfreudiger als diese ganz gedämpfte Coloristik. 
EifrigesBemühen zeigt sich, möglichst alle früher vernachlässigten Stücke des Haushalts 
zu schmücken. Es gibt Briefkästen und Thürschilder in getriebenern Kupfer oder aus 
geschnittenem Messing. Besonders bekümmert man sich auch um die elektrischen Licht- 
schalter an der Wand und um die Klingelknöpfe. Für diese Kleinkunst sorgt ja besonders 
Gurschners Caprice, von der ich den Wienem nichts neues erzählen kann. Schlichter sind
	        
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