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weitere, sonderlich fruchtbare Nachfolge. lhn selbst kann man wohl als
den dritten Träger der Robbia-Kunst bezeichnen: auf die Epoche des
Luca folgt jene des Andrea, endlich die des Giovanni. Es ist der im Ver-
laufe der Knnst-Hauschronik sich vollziehende Uebergang vom edel-
strengeren zum lieblich-schönen und endlich zum versüßten, aber bereits
auch in's Manierirte ausbeugenden Stil.
Doch zurück zu Andrea. Er bildet entschieden bei allen großen,
persönlichen Eigenschaften den Gattungscharakter jener Kunstweise durch,
und dies ebensowohl in Hinsicht ihrer Technik, als ihrer geistig-künst-
lerischen Merkmale. Da man das Bezeichnende gern citirt, ist hier dasjenige
einzuschalten, was Jacob Burckhardt in seinem vCiceroneu zur Charakte-
ristik der Robbia-Schule sagt; es gilt aber erst völlig von der durch
Andrea systematisirten Werkstatt: vEs sind allerdings keine höchsten Ziele,
welche diese Schule verfolgt hat; sie konnte auch nicht die Hauptstätte
des Fortschritts im Großen sein. Allein was sie gab, so bedingt es sein'
mochte, es war in seiner Art vollendet. iSie lehrt uns die Seele des
15. Jahrhunderts von der schönsten Seite kennen .. . . Was als religiöser
Ausdruck berührt, ist nur der Ausdruck eines tief ruhigen, einfachen
Daseins ohne Sentimentalität oder Absicht auf Rührung. Und was man
nicht übersehen möge: jedes Werk ist ein neu geschaffenes Originalwerk,
keines ein bloßer Abguss. l-lundertmal wurden die gleichen Seelenkräfte
in gleicher Weise angestrengt, ohne dabei zu erlahmenm
Die Farbentechnik der glasirten Thonplastik, welche bei Luca, dem
Schöpfer des ganzen Kunstzweiges, noch manche Schwankungen zeigt,
wird von den Erben vollends durchgeübt und zu einer sicheren, fertigen
Consequenz ausgebildet. Die Köpfe und Extremitäten, bei Andrea noch
häufig die ganzen Figuren, werden auf lange hinaus weiß belassen; der
Grund zeigt ein mildes Blau, vielleicht den schönsten Ton des Maiolika-
colorits der Robbia-Schule. Dazu kommt weiterhin für Gewandung und
verzierendes Detail grün, violett, braun und gelb, theilweise schon mit
Brechungen und Abstufungen, beiher auch eine discrete Vergoldung.
Gegen den Rand hin wird die Farhengebung reicher und voller, nament-
lich in den einfassenden Kränzen und Fruchtgewinden. In der Spätzeit
dieser Kunstübung treten die zwei Gegensätze hervor: entweder völlige
Bemalung , die nicht selten in grelle Buntheit mit etwas ordinär
wirkendem, gleißendem Schillerton ausartete, und dann auf der anderen
Seite ganz weiß belassene Glasur, die wieder einen kalten Eindruck machte
und allerdings mit der Erkältung des Formgeflihls gegen den Ausgang
dieser Kunstgattung hin übereinstirnmte.
Das Repertoire der Werkstatt bereichert sich in seinen Darstellungs-
formen. Es dürfte sich empfehlen, hier ein wenig zu classificiren, um
über das umfassende Material eine Ueberschau zu gewinnen: _
t. Das Lunettenbild, dieses Ursprungsmotiv der bedeutsameren
Majolikaplastik, blieb noch immer die feierlichste Hauptform der Dar-
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Stellung. Es ging zuweilen über das Kniestück hinaus, und stellte eine
Situation in vollen Figuren dar; am häufigsten die Verkündigung Mariä.
Ein Hauptwerk dieser Art, unvergleichlich schön, ist die Lunette
mit der Verkündigung über der Thür zur Capelle des Findel-
hauses in Florenz (von Andrea). Die Madonna an dem reich
ornamentirten Betpult und der ihr gegenüber kniende Engel sind
Figuren voll Empfindung, die sich auch in der Geberde und den
Händen rein ausdrückt. In dem Engel selbst, dessen Gewandung
übrigens mit größter Feinheit angeordnet ist, beginnt ein neuer
Jünglingstypus, der sich seitdem in der Werkstatt mehrfach wieder-
holt; sehr sensibel und individuell ansprechend, ohne dabei ideal
zu sein. An den Lilien, die der Verkündigungsengel in der Hand
hält, ist es noch nicht genug; es steht noch eine Vase fmit fünf
Lilienstengeln in der Mitte. Würdig und huldvoll schwebt Gott-
vater inmitten kleiner, betender Cherubim hernieder; ihm voran
auf einem Wölkchen die Taube des heiligen Geistes. Der Halbkreis
von Engelchen, welcher die Lunette umspannt, bietet eine Auslese
von Kinderstudien dar; das freundliche, das lieblich lächelnde, das
sinnende, trutzige, zum Greinen sich anschickende Kind - sie sind
hier alle zu finden; auch ein und der andere Taugenichts meldet
sich in dieser geHügelten Gesellschaft.
Ferner: die Thürlunette der Loggia di S. Paolo, gegenüber
der Kirche S. Maria novella. Die Begegnung des heil. Fran-
ciscus und des heil. Dominicus; Halbfiguren. Ein Muster-
stück geistlicher Charakteristik im Gesichtsausdruck der beiden
großen Ordensheiligen.
Dann die herrliche Portallunette an der Facade des Doms von
Prato, in den Spitzbogen hineincomponirt: die Madonna mit
den beiden Blutzeugen Stephanus und Laurentius. Wieder
ein Hauptwerk des Meisters Andrea, voll mildesten Adels, dabei
von echter kirchlicher Monumentalität. Die Cherubsköpfchen am
Rand verdienen hier abermals einzeln betrachtet zu werden.
z. Das Medaillen, schon von Luca della Robbia mustergebend
vorgebildet, kam bei Andrea und seinen Kunstnachfolgern zur mannig-
fachsten Anwendung; theils vereinzelt und in diesem Falle reich um-
krlinzt, theils in cyklischer Reihe als durchgehender Außenschmuck einer
Halle in den Bogenzwickeln. '
Zur letzteren Gattung gehören als das herrlichste Beispiel die
berühmten elf Medaillons mit Wickelkindern über der
Vorhalle des Ospizio degli Innocenti, eine der frühesten
Schöpfungen des Meisters Andrea. Wir haben bereits in den kleinen
Cherubs von Andrea ein entfaltetes Skizzenbuch von Kinderköpfchen
entdeckt, mit Gemüth und guter Laune nach der Natur studirt;
in den Medaillons des Findelhauses tritt aber das Kind als solches,
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