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> Seit 1S4S zu Ehren des hochverehrten und allbeliebten Erzherzogs-Landeschefs Stephan splatz.
genannt, und von diesem auf den „Wälschen Platz'" mit der St. Niklaskirche,
dem schönsten und imposantesten Barock-Kirchenbau Prags. Die Kleinseite hat gleich der
Altstadt zum weitaus größten Theile ihren geschichtlichen Charakter bewahrt. Namentlich
gilt dies von der steilen Spornergasse mit den scnlptnrreichen Fladen des Thun'schen
und des Morzin'schen Palastes und der Stirnseite der Cajetanerkirche. Von dem oberen
Ende der Spornergasse blicken wir über den „Hohlen Weg" hinüber nach dem zwei-
thürmigen Strahov und machen dann, überragt von dem kühnen Prachtbau des alten
Rosenberg'-, jetzt Schwarzenberg'schen Fideicommißhauses, einen Umbug ans die
„Kleine Schloßstiege", die uns zu einem der herrlichsten Aussichtspunkte bei der
Maria-Einsiedelterrasse führt. Wir haben hier in einem Gesammtbilde das Häuser
meer zu beiden Seiten des Flusses mit den hundert Stadt-, Brücken-, Kirchen- und
Klosterthürmen, größeren und kleineren Kuppeldächern vor uns; es ist dies derselbe Aus
blick, welcher der Gemalin des Winterkvnigs, der schönen und stolzen Elisabeth von
England, als sie zum erstenmal aus den Fenstern des königlichen Schlosses ans die
hundertthürmige Stadt zu ihren Füßen herabsah, den Ausruf entlockte: „Ja, das ist eine
wahrhafte Königsstadt!"
Von dem königlichen Schloß, dessen letzte Herstellung und Ausbau die große
Kaiserin 1758, also unmittelbar nach der Verwüstung durch Friedrich II. von Preußen
begonnen und 1775 beendet hat, vom St. Veitsdom und der St. Georgskirche, selbst
von dem Alchymisten-, jetzt Goldenen Gäßchen, von der über den Hirsch graben
führenden Staubbrücke, dem Kaisergarten und dem Lustschlosse Ferdinands I.
war in unserem geschichtlichen Theil so viel und so oft die Rede, daß sie dem geneigten
Leser bekannte Dinge sind; die Fülle des Schönen und Merkwürdigen, die jedes dieser
prunkenden Gehäuse iu seinem Innern birgt, kann hier nicht beschrieben werden, sie will
gesehen sein! Und dasselbe gilt von den landschaftlichen Reizen, welche ans dieser Seite
der alten Königsstadt der Villenort Bubene, der ausgedehnte, sehr kunst- und geschmack
voll angelegte Baumgarten mit seinem alleenumkränzten (zur Zeit trocken gelegten) Teich
und der reizenden Insel in dessen Mitte, sowie das Thal von Troja bieten.
ViereuropäischeHauptstädtesind es, denen Alexander von Humboldt den Preis
großartiger Schönheit zuerkannt hat. Davon sind Constantinopel, Lissabon und Neapel
Seestädte und an dem Reiz ihres Anblicks hat das Meer den gleichen Antheil wie das
Land; die vierte, Prag, ist eine Binnenstadt und als solche behauptet sie sowohl durch
ihre unvergleichlich malerische Lage, als durch die Fülle geschichtlicher Erinnerungen und
hervorragender Bauten sowohl kirchlichen als profanen Charakters den ersten Rang unter
ihresgleichen. Was ihre Merkwürdigkeiten betrifft, so haben wir dieselben bei unserem