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Volltext: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 8)

und Schatten märchenhafteDecorationen zu bilden und die Führung des Pinsels 
um so weniger zu verheimlichen, als man beobachtete, dass durch Nicht- 
verreiben der Töne eine impressionistische Wirkung ganz eigenthümlicher 
Art erzielt wurde. Das Zimmer liess die Farbflecken lieben, weil es dazu 
beitrug, sie im Auge des Beschauers wieder zu vereinigen. Und je freier der 
Vortrag wurde, desto kühner war der Sinn, einfach die Valeurs gegen 
einander zu stellen, nicht bloss Licht und Schatten, sondern auch Farbe gegen 
Farbe, ein Verfahren, das ebensoviel von Poesie als Wahrheit in sich trug. 
Wie hätte sich unsere moderne Malerei je entwickelt, wenn nicht unter 
dem Einfluss des Zimmerlichtes? Malte Velasquez in seinen gebundenen 
Tönen, weil er der erste war, der fast nur für Private malte? Man kann dies 
wunderbare Gegenspiel zu den Niederländern kaum anders erklären. Übte 
Rubens seinen kühnen Reflexlichterstil, wie ihn kein Italiener gehabt hat, 
weil er sah, wie das alles an der Wand der Paläste zusammenging? Rubens 
ist noch zwischen den Zeiten, die modernen Impressionisten haben die 
letzten Folgerungen gezogen. Sie setzen sich vor die Natur stets in einer 
decorativen Stimmung, weil sie wissen, dass die Natur an sich ihnen nichts 
gibt, was nicht sehr uninteressant aussehen würde, und dass sie irgendwie 
die Töne, die ihr Auge wahrnimmt, auf reine decorative Einheiten bringen 
müssen, um ein gutes Bild zu schaffen. Ein Stück Landschaft mit blauem 
Himmel, grünen Bäumen, rothen Dächern können sie so nicht brauchen, sie 
müssen aus dem Blau etwas Weisses, aus dem Grün etwas Gelbes entwickeln 
und die Dächer stark nachdunkeln. Sie müssen auf den Farbenaccord, der 
das Motiv gibt, das ganze Bild stellen, müssen danach hinzunehmen und 
fortlassen, dämpfen und erhöhen. Sie sehen einen Teppich von Farben 
in die Natur hinein; das Bild, das sie concipiren, ist decorativ geordnet; 
die Natur ist nur die Anleitung zur Composition. Alles, was in ihnen 
persönlich ist, kommt in dieser decorativen Arbeit heraus und wenn 
der Teppich stimmt, so sagt man, die Natur sei überzeugend. Im 
Rahmen und an der Wand besteht das Bild die Probe. Ob es bis ins 
Tüpfelchen bunt pointillirt ist, ob es im Fleckenstil gemalt ist, ob es 
grössere Farbenwerte gegeneinander setzt, ob „Harmonismus", ob „Colo- 
rismus", es ist nur ein Dimensionsunterschied, der decorative Sinn für 
die Wägung des Valeurs bleibt derselbe. Watteau und Fragonard malten 
noch silbern, ihre Decoration war ein Gesammtstil, sie steckten die Bilder in 
ein fertiges Präparat, bei andern war dies Präparat braun, heut ist es kein 
Präparat mehr, es ist gleich decorative Ingredienz und jedes Bild redet seine 
eigene decorative Sprache, jedes ist eine eigene Stilisirung der Natur. Das 
decorative Element, einst das Ensemble des Bildes, ist heute ganz der Inhalt 
des Bildes geworden. Es gibt kaum eine Malerei von Bedeutung, die nicht 
dieses decorative Element in sich trüge, das ihr persönlicher Stil ist. Nicht 
bloss Formkünstler, Liniensymbolisten und Archaiker sind decorativ, die 
Realisten sind es nicht minder. Man brauchte nur einmal das Modell oder 
die Natur eines realistischen Bildes gegen dieses selbst zu halten, um sich
	        
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