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Volltext: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 9)

Man ist vielfach geneigt, der Thatsache dieser Gründung an sich mehr 
Gewicht beizumessen, als sie in Wirklichkeit verdient. Und man hat über- 
haupt infolge des gewählten Namens in die ganze damals angeschlagene 
Richtung viel mehr „Präraffaelitisches" hineingetragen, als wirklich darin ist. 
Betrachtet man die Individualität der drei genannten Hauptvertreter, so lässt 
sich kaum bei irgend einem eine Geistesverwandtschaft mit den Frühitalienem 
feststellen. Holman Hunt in seinem etwas beschränkten Naturalismus steht 
ihnen ebenso fern, wie der malerisch ungemein begabte Millais, der bald 
darauf ganz aus dem Lager der jungen Neuerer abschwenkte und in seinem 
späteren Lebenswerke aus jedem Bilde mit einer anderen Individualität 
herausschaut. Übrigens war es vielleicht gerade diese seine Gewandtheit und 
Beweglichkeit, die ihn das „am meisten präratfaelitische" Bild der ganzen 
Schule, das für die ]ahre des Künstlers erstaunlich gut gemalte Bild „Lorenzo 
und Isabella" hervorbringen liess.Was nun aber schliesslich Rossetti anbetrifft, 
so lässt sich ein grösserer Gegensatz wie zwischen der von Sentimentalität 
und Gedankenreichthum triefenden, mit dem ausgesprochenen Zuge ins 
Träumerische behafteten Auffassung Rossettis und dem jugendfrisch und 
naiv auf die rein malerischen Werte losgehenden Art der Frühitaliener 
kaum denken. ]a noch mehr, ein solcher ausgesprochener Gegensatz bestand 
sogar zwischen dem Programme, das die Bruderschaft in ihrer Zeitschrift 
„Germ" über ihre künstlerischen Ziele aufstellte und dem Schaffen Rossettis, 
wie es später sein Lebenswerk ausmachte. „To enforce an entire adherence 
to the simplicity of Nature" wurde als Grundsatz ausgegeben. Wo aber 
findet sich weniger Naturalismus als bei Rossetti? 
In Wahrheit war es auch gar nicht der Realismus, den man suchte und 
wollte. Dazu war Rossetti, den man von Anbeginn als das Rückgrat der 
Bruderschaft annehmen muss, eine viel zu poetische Natur. Es spielte sich 
eben hier dasselbe ab, was wir fast bei jedem künstlerischen Neuausgange 
beobachten: die absolute Unmöglichkeit, ein mächtig vorwärts dringendes 
künstlerisches Wollen, das sich bei solchen Gelegenheiten zu erkennen gibt, 
in ein Programm zu fassen. Wie oft hat man die Rückkehr zur Natur, oder 
in den technischen Künsten etwa die Rückkehr zur Sachlichkeit und reinen 
Zweckmässigkeit vorgegeben und ist in die reinste Stimmungskunst, in 
phantastisches Linien- und Farbenspiel gerathen! Wir erleben es erst heute 
wieder an unserer continentalen neuen Bewegung im Kunstgewerbe! Es ist 
auch gar nicht nöthig, ein solches Wollen einer Zeit in Worte zu fassen und 
es wäre besser, wenn es unterbliebe. In der Regel handelt es sich bei solchen 
Neugestaltungen um die nothwendige Reaction gegen eine bestehende, in 
ihrer Entwicklung ausgelebte oder entartete Kunstrichtung. Das war durchaus 
auch bei der Präraffaelitenbruderschaft der Fall. Sie machte Front gegen die 
Akademie und gegen die Lehrauffassung, dass in der Antike und in Raffael 
die bindenden Gesetze für alles zukünftige künstlerische Schaffen nieder- 
gelegt seien, dass die Kunst die „Fehler der Natur" im Sinne dieser Kunst- 
weisen zu verbessern und den von diesen Kunstweisen aufgestellten Schön-
	        
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