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Volltext: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 9)

 
E. Lachenal, Vase, Gres 
Säulenhof füllenden Ausstellung 
einen der interessantesten und 
individuellsten unter den moder- 
nen Keramikern Frankreichs ken- 
nen zu lernen: Edmond Lachenal. 
Lachenals Eigenheit beruht 
in dem ganz ausserordentlichen 
Gleichgewichte seiner künstleri- 
schen und seiner handwerklichen 
Fähigkeiten; niemandem viel- 
leicht ist die Bezeichnung „Kunst- 
handwerker" dermassen auf den 
Leib geschrieben, wie ihm. Das 
liegtwohl daran, dass er zwischen 
Kunst und Handwerk niemals 
einen Wertunterschied gelten 
liess. Schon als ganz kleiner 
Knabe - er ward 1855 zu Paris 
als armer Leute Kind geboren - 
schwankte er bezüglich seiner Be- 
rufswahl zwischen den „weltbedeutenden Brettern" und der Töpferscheibe, 
ein eigenartiges Dilemma, das wohl fast jeder anderen Kinderseele fern 
läge. Die lichterfüllte Bühne, wo man in glitzernden Gewändern mit 
pathetischer Geberde schwungvolle Verse sprach; der geheimnisvolle Ofen, 
in dem die Kraft der Flamme die weiche, farblose Töpfererde zu festen 
farbenleuchtenden Gefässen wandelte: beides lockte seine Phantasie in 
gleichem Masse. Mit zwölf Jahren hatte er sich entschieden: man muss 
es den Meister selbst in seiner 
prickelnden Weise erzählen hören, 
wie er da eines schönen Tages 
seiner Mutter in wohlgesetzter 
Rede die Nothwendigkeit bewies, 
ihn endlich in Condition zu geben; 
wie er dann die schüchterne Frau 
zu einem kleinen Töpfer in der Um- 
gebung von Paris führte und sich 
dort von ihr als Lehrling einschrei- 
ben liess. Bei Tag half er die Masse 
bereiten, sass er an der Scheibe, 
schürte er die Glut im Ofen; 
abends zeichnete er eifrig in der 
Lehrlingsschule; des Nachts aber 
las er in seiner kleinen Kammer 
Racine und Corneille mit solcher 
 
E. Lachenal, Blumentopf, Gres
	        
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