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Volltext: Monatszeitschrift IV (1901/ Heft 10)

die noch vollständig unter dern Einflüsse der Antike stehen. Es folgen dann die sogenannten 
byzantinischen Handschriften, darunter zweimal die Beschreibungen von ofiicinellen 
Pflanzen des Pedanius Dioscorides mit zahlreichen Pfianzenabbildungen, ferner die 
altchristlichen Handschriften, rnit einem Codex des Rui-inus von Aquileja beginnend, 
eine Handschrift, aus deren Miniaturen wir interessante Aufschlüsse über altchristliche 
Symbolik erhalten, dann die mit der byzantinischen Kunst in engem Zusammenhange 
stehenden syrischen, armenischen, koptischen und südslavischen Handschriften. Die 
irisch-angelsächsische Miniaturrnalerei mit ihrem charakteristischen Thier- und Band- 
ornamente gibt dann in Verbindung mit byzantinischen Einflüssen und der Tradition 
der Antike der karolingischen Buchmalerei das Gepräge. Hier ist besonders ein Psalterium 
des Schreibers Dagulf vom Ende des VIII. Jahrhunderts zu erwähnen, das von Karl dem 
Grossen dem Papste Hadrian gewidmet wurde. Die Periode der Ottonen ist nicht vertreten, 
die kommenden Jahrhunderte aber weisen eine ununterbrochene Reihe von kostbaren 
Werken auf, an denen wir die Entwicklung der deutschen Kunst, ihr Emporsteigen aus 
dem tiefsten Verfalle im XI. Jahrhundert bis zu den herrlichen Leistungen zu Dürers Zeit 
verfolgen können. Österreich hat an dieser Arbeit lebhaften Antheil genommen; ich 
erwähne nur die Bibel aus dem Jahre 134! von Herword von St. Andrä in Niederösterreich 
gemalt, eine Übersetzung Wilhelm Durantis von Chunrat dem Rampperstorfer, Rath der 
Stadt Wien und Amtsmann von Klosterneuburg, aus dem Jahre 1384, die dem Herzog 
Albrecht III. gewidmet ist, und die Reden des heiligen Augustin für Herzog Ernst den 
Eisernen (i 1424) verfertigt. Auch die böhmische Schule ist reich vertreten und lässt in 
ihren Arbeiten den Einiiuss französischer und oberitalienischer Meister erkennen. In 
dieser Gruppe ist wohl die sogenannte „Wenzelsbibel" am meisten berühmt, eine deutsche 
Bibelübersetzung, die in sechs grossen Bänden gebunden ist, von denen der erste aufliegt. 
Sie ist am Ende des XIV. Jahrhunderts entstanden und enthält 249 Miniaturen. Es folgt 
dann die französisch-niederländische Handschriftenmalerei, die wohl den Höhepunkt der 
Miniaturrnalerei im Abendlande repräsentirt. Von den französischen sei besonders der 
allegorische Roman König Renes des Guten „Coeur d'amours d'epris" bemerkt, der vielleicht 
von dem Hofmaler Barthelmy de Clerc illuminirt wurde und in seinen Bildern Stimmungen 
enthält, die malerisch festzuhalten bis zu dieser Zeit wohl nur selten gelungen ist. 
Jede der Handschriften dieser Gruppe ist von ganz ausserordentlichem kunst- 
historischen Interesse. Nicht nur, dass wir hier die vor van Eyck'sche Kunstperiode 
studiren können, auch die Handschriften der späteren Zeit geben uns wichtige Anhalts- 
punkte fiir die Entwickelung der Malerei, besonders der Landschaftsmalerei. Eine der 
hervorragendsten Stätten der Miniaturkunst ist im XV. Jahrhundert Brügge, wo die grösste 
Zahl der für den kunstliebenden Herzog Philipp den Guten von Burgund verfertigten Pracht- 
handschriften entstanden ist. Ich erwähne nur den Roman „Gerard de Roussillon" und die 
„Chronique deJerusalem". Die italienischen Handschriften beginnen mit einem Breviere aus 
dem XII. Jahrhundert in longobardischer Schrift und enthalten eine grosse Anzahl äusserst 
kostbarer, meist für regierende Fürsten oder besonders hochgestellte Persönlichkeiten 
gemalte Werke, von denen ich die für Herzog Andrea Matteo III. Acquaviva verfertigte 
Nicomachische Ethik des Aristoteles (um 1500), sowie die für Mathias Corvinus und seine 
Gemalin Beatrice von Aragonien mit reichern Miniaturenschmuck versehenen Codices 
anführe. Künstlerisch in mancher Beziehung noch überragt werden diese Prachtwerke 
durch die Miniaturmalereien des Orientes, die, in Bezug auf Harmonie der Farben und 
Tonwerte unerreicht, uns ein Bild von dem hohen Sinne für Ornamentation in Westasien 
bieten. Das Figürliche ist feierlich steif, der ornamentale Schmuck dieser Handschrißen, 
besonders der persischen, aber von einer so grossen Feinheit in der Zeichnung und Schön- 
heit der Farben in unserem modernen Sinne, dass wir die Erklärung für diese ausser- 
ordentlichen Leistungen erst dann finden, wenn wir sehen, dass vorn IX. bis zum 
XVI. Jahrhundert die Perser an der Ausbildung dieser charakteristischen Ornamen- 
tation gearbeitet haben. Von grossem Interesse ist es auch, dass die allgemein übliche
	        
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