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die Noth. Hungernd aber mit wil-
der Begeisterung bewunderte er
die Werke von Carpeaux und
von Rude. Die Lyoner Freunde
halfen ihm aus der ärgsten Noth.
Er trat (1874) in das Atelier des
Professors N. Dumont ein, aber
nur kurze Zeit hielt er es dort
aus. Als er ein Relief der
Kreuzabnahme Christi modellirte
und dabei die Starrheit der For-
men durch Tönung mit Thon-
brühe malerisch weicher zu ma-
chen suchte, regnete der Spott
seiner Ateliergenossen auf ihn
hernieder. Er verliess das Atelier
und kam nicht wieder. Um den
Rompreis bewarb er sich vergeb-
lich. Nun arbeitete und studirte er
mit äusserstem Fleisse und lei-
denschaftlichem Eifer. Er model-
lirte Köpfe von Bettlern, Ent-
erbten, gescheiterten Existenzen.
Zu Modellen reichten seine Ein-
künfte nicht aus, aber er wusste
sich Abgüsse nach der Natur zu
verschaffen, und diese studirte
er in ganz ungewöhnlicher Weise.
Er betrachtete sie stundenlang, er betastete sie mit seinen weichen,
geschickten und empfindlichen Fingern, er lernte sie auswendig, bis ihm
die unmerklichsten Unebenheiten, die feinsten Übergänge der verschiedenen
Flächen so vertraut waren wie die Buchstaben des ABC. Was andere mit
dem Verstande, machte er sich durch Gefühl H so sagt sein Biograph
Arsene Alexandre _ und Empfindung zu eigen; wenn er blind geworden
wäre, er hätte trotzdem weiter schaffen können, so vertraut waren die
Formen seinen Fingern. Und wie er die Rechtschreibung der Formen
studirte und erlernte, so machte er auch ganz eingehende Studien
ausschliesslich über die Oberfläche der Haut. Ihre Elasticität, die Feuchtigkeit
der Lippen, das Leuchten, ja die Farbe des Blickes, das unrnerkliche Zittern
der Nasenlöcher, das Zusammentreffen verschiedener Fleischtheile (zum
Beispiel der Lippen) alles das suchte er mit möglichster Wahrheit wieder-
zugeben. Einer seiner ersten Versuche dieser Art war ein Selbstbildnis,
wobei er zu seiner Freude den Glanz der Augen, das Feuchte, Fleischige
der Lippen, den leichten Flaum seines kärglich sprossenden blonden
Ch. Ashbee, Aufsatzschrank