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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 4
22 lAlt-Jfieissncr 2PorzellanvögeL
Aus Berlin wird uns geschrieben:
Hermann Ball und Paul Graupe geben be
kannt, daß sie die für den 6. März angekündigte Ver
steigerung von Objekten aus dem Besitz des Barons
Albert von Gold schmidt-Rothschild *ve-
gen der am 5. März stattfindenden Reichstagswahl
auf den 14. März verschoben haben.
Den Kunstgegenständen aus dieser Sammlung
folgt am 15. März die Versteigerung einer ungewöhn
lich hochwertigen Kollektion, deren interessante
sten Bestandteil die Sammlung von 77 Alt-Meiß-
ner Porzellan-Vögeln von Johann Joachim
Kändler bildet. Die Vogelsammlung ist erst in
den letzten Dezennien entstanden. Der Sammler
konnte sie durch ein kluges Ausnutzen der Auflösun
gen und des Lockerwerdens alter fürstlicher Samm
lungen und Schloßeinrichtungen zu solcher Vollstän
digkeit und Geschlossenheit ausbauen, daß sie den
Anspruch auf absolute Einzigartigkeit hat und
eigentlich nur noch mit der Sammlung des Joan
neums in Dresden verglichen werden kann.
Hervorgehoben seien: Die vier großen Papa
geien, in der Staffierung von einander abweichend,
ein Paar sogenannter indianischer Hähne, mit fran
zösischer Goldbronze und farbigen Sevres-Blüten zu
Kerzenkandelabem montiert, große Kakadus, die
verschiedenen Variationen der Eichelhäher mit Eich
hörnchen, die Nebelkrähen, Sperber, Schnepfen, j
Gänse, Schwäne und, als die vielleicht glanzvollsten
Stücke, die Paradiesvögel. Alle diese Vögel sind,
was höchst selten vorkommt, paarweise vertreten
und zeichnen sich durch ausgesucht schöne Bema
lung aus. Viele von ihnen sind außerdem in franzö
sische Louis-XV.-Bronze montiert. Ein berühmtes
Stück der Sammlung ist auch eine aufs verschwen
derischeste aus Meißner Porzellanvögeln und ver
goldeten Bronzen gebildete Louis-XV.-Uhr, die die
Marke G i 11 e l'aine trägt.
Außer den Porzellanvögeln enthält diese Samm
lung noch kostbare französische Möbel des 18. Jahr
hunderts, eine Chinesen-Ta'pisserie der Manufaktur
Beauvais, vier Bronzekandelaber von Goutiere, fer
ner einen der berühmten französischen Farbstiche,
das Bildnis Ludwigs XV. von Le B 1 o n und meh
rere wertvolle Bilder,
Neben dieser Sammlung bringen Ball und Grau
pe noch Kunstwerke aus Frankfurter Besitz, dar
unter Gemälde von Gerard D o u und Gabriel Met-
s u, Kändler'sche Porzellangruppen und deutsche
Silberarbeiten, eine kleine, aber höchst gewählte
Sammlung von Farbstichen aus deutschem Privat
besitz, ferner eine große Renaissance-Tapisserie aus
dem beginnenden 16. Jahrhundert nach Barend van
0 r 1 e y, zahlreiches deutsches und französisches
Silber des 18. Jahrhunderts und einige Gemälde nie
derländischer Meister des 17, Jahrhunderts.
Der Nachlass der JSaronin JCelene Ceitenberger.
Unsere Annahme, daß die Auktion aus den
österreichischen Schlössern des Erzherzogs Fried
rich, über deren Verlauf an anderer Stelle berich
tet wird, eine Serie großer Wiener Auktionen ein
leiten werde, bestätigt sich. Für die nächste Zeit
werden bereits drei solcher angekündigt.
Zunächst ist es das Dorotheum, das die Serie
fortsetzt. Um die Mitte des März — das genaue
Datum wird von uns noch angegeben werden —
bringt das Dorotheum die Wohnungseinrichtung der
am 24. November v. J. im Alter von 89 Jahren ver
storbenen Baronin Helene Leitenberger, I.,
Parkring 16, zur Versteigerung.
Der Name Leitenberger erweckt die Erinnerung
an ein altes Wiener Patrizierhaus und man kann sich
denken, daß das Heim, das die greise Dame be
wohnte, ganz in der vornehmen Tradition dieser
Familie ausgestattet war. Sechs Sale — einer ge
schmackvoller als der andere. Einen faszinierenden
Eindruck macht der Schlafsalon, dessen Möbel in
streng chinesischer Art mit irisierendem Perlmutter
eingelegt sind. Die Füllungen der Kasten sind mit
bestickter lachsroter Seide bespannt, Kostbare chine
sische Gegenstände sind auch vielfach in anderen
Salons zu finden. So fallen zwei chinesische Cloi- |
sonne-Elefanten mit einer Vase am Rücken auf, die
als Girandol für je fünf Kerzen in Bronze französisch
montiert sind.
Eine Salongarnitur ist im Stil Louis XVI. gehal
ten, andere Säle sind mit Möbeln im Stile Ludwig
XIV. und Ludwig XV. geschmückt, doch begegnen
wir auch einem zweitürigen Schrank im Danziger
Barockstil, einem Buffet, einer Kredenz und einem
hohen Girandol im Stil der Renaissance und anderen
kostbaren Stücken.
Unter den Bronzen wären besonders ein idealer
Frauenkopf hervorzuheben, der von A i s e 1 i n mo
delliert und von Barbedienne gegossen wurde.
Der Werkstätte Barbediennes entstammt auch der
junge Mozart, der die stolze Signatur Barrias
trägt.
Von den Gemälden möchten wir zwei grandiose
Bilder von Hans Makart hervorheben, den „Tod
der Kleopatra 1 * und „Die sterbende Kleopatra 1 *. Ga
briel von Max ist mit zwei seiner Hauptwerke, der
„Hl. Julie am Kreuz" und „Licht‘‘ vertreten, Eugen
v. B 1 a a s mit einer rassigen „Italienerin 1 *, Franz
Rumpler mit dem historischen Gemälde „Der Tod
des Königs Wenzel III. in Olmütz”, Joh. Ignaz R a f-
I f a 11 mit einem „Ungarischen Dorf" etc.
Rheinischer und mitteldeutscher JCunstbesitz.
Bei der Versteigerung rheinischen und mittel
deutschen Kunstbesitzes durch Math. Lempertz
in Köln (siehe Nr. 2 und 3 der „Internationalen
Sammler-Zeitung* 1 } wurden weiters folgende Preise
(in Mark) notiert:
Alte Silberschmiedearbeiten.
473 Augsburger Barock-Silberschale, 17. J. 520 g ... 230
474 Ovale silberne Obstschale. Undeutliche Marken.
Klassizismus, um 1800 360
Arbeiten in verschiedenem Metall.
485 Antiker vlämischer Renaissance - Kronleuchter aus
massiver Bronze, 17. J 1050