sonst jenseits des Canales gewöhnt ist, ist der Phantasie Freiheit gegeben,
sich zu entfalten. So konnte es kommen, dass manche Form süsser, manche
Farbe weicher und weibischer ist, als man es gewünscht hätte. Aber immer-
hin: diese Interieurs sind eine volle Leistung, was die Einheitlichkeit in der
Decoration eines Raumes betrifft, die harmonische Abstimmung auf einen
einzigen Ton. Die Künstler dieses Hauses richten alle ihre Wünsche auf ein
Ziel: die Farbenstimmung. Die Formen der Geräthe sollen weniger wirken,
als die Farben des Materials, des Holzes, der Stoffe und Metalle. Und fast zu
viel kommt es hier auf die poetische Stimmung an. Die schottischen Architekten
haben ja alle den Hang, Seelenstimmungen zu produciren, man denke an
die Mackintoshschen Asketenzimmer. Der erste Raum, den man betritt, ist
man durch das gute, wenig ornamentirte Portal an ausgezeichneten Metall-
arbeiten vorbei (hier liegt die Stärke des schottischen Kunsthandwerkes) in
den weissen, angenehm mit Holzsparren verzierten Pavillon gegangen, heisst
„The Rossetti-Library". Man sieht, hier ist poetische Stimmung erwünscht.
Es handelt sich nicht um gute Formen, Comfort, graciöse Linienführung,
angenehme Farben, auch nicht um eine rein decorative Schönheit - Littera-
rische Atmosphäre soll erreicht, ein bestimmtes Lebensgefühl erzeugt werden.
An den Wänden hängen Photographien nach Werken Dante Gabriel Rossettis.
Die dumpfe, schwüle, von allerlei vager Sehnsucht erfüllte Stimmung dieses
Malerpoeten soll herrschen. In dem violetten Bücherspind, dessen Verglasung
ein Rosenornament trägt, befinden sich wohl die Werke Swinburnes, der
Familie Rossetti selbst, des Vaters also, des gelehrten Dante-Forschers, der
Schwester Christine, dann sicherlich auch Tennysons - kurz, all diese
Dichtungen femininer Art. Deshalb ist wohl auch (ein unangenehmer Einfall)
das schöne Mahagoni violett gefärbt, der Teppich roth mit violettem Rosen-
muster gewählt. Die Geräthe sind - man betrachte in der Abbildung den
Einbau vor dem Kamin - ungemein schlank, zierlich. Ihr Schmuck ist
Intarsia in fremdartig gebeiztem Holz oder auch Metall. Ungemein fein sind
die Leuchter aus alterthümlichem Silber. Hat man sich einmal mit der Idee
eines Raumes, der einen zu einer bestimmten, doch nur wenigen und, wollen
sie ehrlich sein, nur in seltenen Stunden zugänglichen Höhenstimmung
zwingt, abgefunden, so wird man die Harmonie des Raumes bewundern
können. Zu sagen wäre allerdings noch, dass die Beziehung auf Rossetti,
will man exact sein, unrichtig ist; denn der Präraffaelitenkreis, Rossetti so
gut wie Ford Madox Brown, der ja zu den ersten Zeichnern der Morris-
Company gehörte, hatte ganz bestimmte Vorstellungen von Möbelkunst,
und diese weisen auf einfache uncomplicirte Einrichtungen etwas archai-
sirender Natur hin. Sicherlich hätten sie sich mit violett gefärbtem Mahagoni-
holz nicht gefreut.
Die Beize herrscht ja überhaupt in diesen Interieurs. Es ist nicht leicht
ein Stück complicirt und raffinirt genug. Im Drawing-room (grünseidene
Wandverkleidung und weiss lackirte Panele geben hier die Balance zu
violetten Möbeln) sind die zierlichen Tischchen und Schränkchen mit