Defregger-Ausstellung. Nord und Süd sind darin einig. dass der Meister einen Gipfel der
neueren deutschen Malerei bildet. Sieht man sich unter seinen Bildern urn, so drängt sich
vor allem die galeriebraune Zeitfarbe der Münchner Neurenaissance auf. Aber die
Piloty'sche Palette ist bei Defregger wesentlich aufgefrischt durch das herbe Grau, Grün
und Weiss seines heimatlichen Pusterthales. Schon in der Skizze zum „Letzten Aufgebot"
spielt dieser Dreiklang erfrischend in das Braun hinein. Dazu kommt sein Stoffkreis, der
doch ein urwüchsigerer ist als die das Modellstehen längst gewohnten I-Iolzknechte und
Moidles der Münchner Lederhosenzeit. Er hat vom Hause aus ein rescheres Naturstudium
und dazu einen historischen Patriotismus ganz volksthümlicher Art. Andreas Hofer ist
sein Achilles, Speckbacher sein Odysseus. Mit solcher Mythologie und solchem Heroen-
cultus im Kopfe wird man ein Realist, der über den Kunsthändlerstil und die Publicum-
themen hinausgeht. Er ist freilich kein eigentlicher Historiker, sondern ein historischer
Genremaler, der aber in aller Echtheit. Wenn man sein grosses Bild „Heimkehrender
Tiroler Landsturm" (Berliner Nationalgalerie] sieht, erinnert einen der mannigfaltige
Jubel an nichts lebhafter als an Anzengrubers „KreuzelschreibeW. Das historischeste seiner
ausgestellten Bilder ist die Scene: „Andreas Hofer empfängt in der Hofburg zu Innsbruck
die Geschenke Kaiser Franz I." Es trägt am Rahmen die bedeutsame Widmung: „Dem
Kaiser seine Geschwister. 24. April 187g". Also ein Geschenk zur silbernen Hochzeit.
Hier ist die historische Idee der Treue zu Kaiser und Vaterland durch einen symbolischen
Act verkörpert. Das Bild ist 187g gemalt, noch injenen Siebziger-jahren, in denen Defregger,
im Grunde kein Farbenfeuerwerker, sondern ein realistischer Charakteristiker und Erzähler,
durch das Beispiel Pettenkofens und namentlich Passinis ein richtiger Colorist im Sinne jener
Zeit der reichen, warmen, brauntonigen Scala wurde. Das prächtigste seiner so gearteten
Bilder ist zweifellos der „Zitherspieler" (1876) aus der kaiserlichen Galerie, wo er eine
weiche, sammtige Wohligkeit und Sattheit der Farbe erreicht, die nur bei Passini ihres-
gleichen findet. Eine fast gleichwertige kleinere Variante dazu (1877) hat Herr Gustav
Geipel in Asch eingesandt. Anderes aus dieser Zeit erinnert mehr an Pettenkofen, so die
„erschreckten jungen Wilderer" (1871) mit dem effectvoll einfallenden Fensterlicht, oder
die ebenso beleuchtete Studie: „Küche im Sarnthal" (1874), wo zwischen schwärzlichem
Grau und Silberlicht ein ganzes Lichtphänomen sich abspielt. In den Achtziger-Jahren ist
diese Episode vorüber. Sein grosses Historienbild, das den Schmied von Kochel am
Rothenthurmthor darstellt, ist eine mehr epische, als coloristische Anstrengung; echter
Defregger, aber von mehr mühsamer, sich nicht lösender Farbe. Es geht ihm wie Uhde
bei solchen Anstrengungen. Von grossem Interesse sind auch die Studien über ländliche
Localitäten und die Porträts, deren jedes beinahe in einer anderen Manier gemalt ist.
Der beste Beweis, dass der Künstler immer noch suchte und versuchte, obgleich er schon
so vielerlei gefunden. Sein Selbstporträt und das Bildnis des Prinzregenten sind äusserst
sorgfältige und ausdrucksvolle Stücke.
In der Herbstausstellung fallen zunächst sechs Maler mit ganzen Sammlungen ihrer
Bilder und Studien auf. Hugo Darnaut füllt einen ganzen Salon mit seinen feiniühligen
Luft- und Bodenstudien, in denen meist die niederösterreichische Note gemüthlich anklingt.
Er ist darin der Erbe Schindlers. Die Gemüthsart seiner Bilder ist meist eine nachdenklich-
träumerische, er hat eine dämmerige, leise anklingende Farbenwelt und eine zierliche, das
Detail liebkosende Hand. Manche der Studien sind augenscheinlich älter, die aus Eisenerz
gewiss zwanzig Jahre alt. Damals schrieb er die Sachen realistischer nieder. jetzt macht
sich mehr die lyrische Empfindung geltend. Das grosse Bild der Stubenthorbrücke, unter
erröthendem Abendhimmel, mit einer Reihe heller Gasilammen, die sich im Wieniluss
spiegeln, ist für ihn ganz charakteristisch. Aber er hat doch auch seine energischeren
Stunden, wo er im kleinen kräftig und saftig sein kann. Das vom Ministerium erworbene
Bild: „Gewölk nach dem Regen", dann noch einige andere („Waldfriede", „Gehöft in
der Heide") sind vorzügliche Arbeiten dieser Art. Einer aus noch älterer Generation ist
Franz Zveiina, der eigenartige Zeichner, von dem lange nichts mehr zu sehen gewesen.