trotz der blauen Spirale von Cigarrendampf, die wohl seine „Secession" andeuten soll.
Dann aber kommen seine urwüchsigen Naturbilder („Der Specht" und anderes), wo alles
knistert und knackt vor Frische. Und schliesslich die decorativen Scenen aus dem National-
epos Kalewala, wo sich alles schon ins Lappländische zu stilisiren scheint, barbarisch-
märchenhaft und dabei beschränkt-phantastisch. Der malerische Gehalt dieser Scenen ist
jedenfalls gering, die Stimmung ist mehr in den Stil und in die ungeschliifene Epik gelegt.
Auch bei den Russen kommt jetzt der nationale Zug stärker zum Durchbruch, als zur
Repin-Zeit. Am meisten freilich im Kunstgewerbe, das seit dem Hungerjahre x89: aus
dem Volke herausgeholt und in das Volk hineingetragen wurde. Die Zarin und die Gross-
fiirstinnen nehmen sich der Sache an. Die Damen Polenow, Jakuntschikow und Mamontow
errichteten auf dem Lande bei Moskau und im Dorfe Solomenka Schulen, wo die
Bäuerinnen altrussische Stickereien und die Burschen das Schnitzen lernten. Man sammelte
alte hölzerne Salzfässer und dergleichen Reliquien der Volkskunst. Man warf sich
auf die nationale Keramik und entwickelte sie bis zu der Stufe, die in der Ausstellung
durch die Kamine, Waschtisch-Rückwände und Potterien von Golowin und Wrubel
bezeichnet sind. Diese prächtigen, schon mehr als halbasiaüschen Arbeiten mit ihrer
pikant barbarischen Decoration und dem prächtigen Metallglanz sind mit nichts
Westlichern zu vergleichen. Das Kaufhaus Mamontow in Moskau hat hier viele
solche Sachen, aber auch Holzschnitzereien ausgestellt. Die junge Malerei gruppirt
sich um die Kunstzeitschrift „Mir Iskustva" (Welt der Erfindung), die auch Ausstellungen
veranstaltet. Manches von diesem Material ist hieher gelangt. Tretllich im sinnigen
Ausdruck und der schlichten lebendigen Malweise ist Boris Kustodiews Porträt des
Malers Bilibin. Überraschend Johann Kalmykows Bild: „Nach der Parade", wo ein ver-
wischender Vortrag ein im Verschwinden begriffenes Publicum eigenthümlich charakteri-
sirt; die Richtung Ratfaelli hat ihn beeinflusst. Konstantin Korowin hat aus sibirischen
Landschaften einen ganzen Fries zusammengestellt, wobei eine photographisch genaue
Naturbeobachtung die Stilisirung durch eine auf zwei oder drei Töne zurückgeführte
Farbe nicht ausschliesst. Rylow, Purwit, Somow treiben Stimmungslandschaft, Röhrich ist
mehr für das Sagen- und Märchenhafte, Pasternak malt Lampenlicht in älterer Weise,
Nesterow bringt Heiliges in zierlicher Aquarellirung. Ein ganzes Kabinet ist ferner Jan
Toorop eingeräumt, der hier seine ganze Kunst zum Rathen aufgibt. Mehrere grosse
Räthselscenen sind so mystagogisch wie je. Dazu kommen pointillistische Malereien,
Figurales und Strandbilder in den hellsten grüngoldigen und rosigvioletten Farben, wobei
übrigens erinnert sein mag, dass Toorop schon vor Rysselberghe die Punktrnanier pflegte.
Und daneben bringt dieser sensitive Zeichner die edelsten Köpfe („Engländerin") und
porträtirt „Drei Töchter" als Triptychon mit der feinsten, luftigsten Farbenstimmung,
ohne irgend ein „puzzle" als Gewürz. Schliesslich sind zwei ganz meisterhafte Bilder von
A. Baertsoen zu rühmen: „Alte l-Iäuser am Fluss" und „TransportschiHe im Schnee".
Sie sind in seiner dunstigen, verwaschenden Breite gleichsam in einem Tone hingesetzt,
der aber eine grosse Mannigfaltigkeit von Tönen umfasst. Die Natur ist in ihren lauschigsten
Stunden beobachtet. Die plastische Ausschmückung der Ausstellung ist grösstentheils
mit Werken von Hermann Hahn (München) besorgt, der hier Beifall und Käufer
gefunden hat.
UBILÄUMSAUSSTELLUNG DER PI-IOTOGRAPI-IISCI-IEN GE-
SELLSCHAFT. Im Hause der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt hat
die Wiener Photographische Gesellschaft zur Feier ihres vierzigjährigen Bestandes eine
höchst interessante und lehrreiche Ausstellung veranstaltet. Sie zählt gegen 700 Nummern
und ist stark besucht. Unterrichtsminister Ritter von Hartel erölfnete sie in Person und
gab in gehaltvoller Rede eine Skizze der photographischen Bewegung in Wien. In der
That ist Wien eine Hauptstadt der Photographie. Ein jahr nachdem Daguerre in Paris
seine Erfindung auszuüben begann - die Ausstellung enthält auch eine seiner Original-