STABSTROMPETER, SAPPEUR UND ANDERE SOLDATEN
IM 18. JAHRHUNDERT, BEI WAHLISS UND AUGARTEN
Unter den figuralen Modellen der Wiener Porzellanmanufaktur kennen wir zwei Soldatense
rien: eine entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts, die andere fast genau ein Jahrhundert
später.
Die Soldaten des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien (Mrazek-Neuwirth 1970, Nr.
283-288a) bestehen aus weiß glasiertem, unbemaltem Porzellan. Drei von ihnen sind vor
1749 zu datieren (sie tragen den eingestempelten Bindenschild), zwei sind ab 1749 anzu
setzen (sie sind mit dem ab 1749 üblichen unterglasurblauen Bindenschild gemarkt). Zwei
sind ohne Marke, gehören aber unzweifelhaft zur selben Serie.
Mehr als dreißig Soldatenfiguren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts befinden sich im Besitz
des österreichischen Museums für angewandte Kunst; es sind bunt staffierte Figuren auf
runden, braun und grün bemalten Sockeln mit Baum- oder Felsstütze. In zwei querovalen
Feldern am Sockel werden jeweils die Chargenbezeichnung und die Jahreszahl angegeben,
die sich auf die Uniform bezieht (nicht zu verwechseln mit einer Datierung der Porzellanaus
formung!).
Die Figuren sind mitdem eingepreßten Bindenschild gemarkt, der ab 1827 Vorschrift war, mit
Jahresstempeln (850,851,852) und der eingepreßten Bossierernummer (35 bzw. 36) sowie
manchmal auch der aufgemalten Staffierernummer versehen.
Soldaten wurden teilweise nach Alt-Wiener Modellen im zwanzigsten Jahrhundert sowohl von
der Firma Wahliss als auch von der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten ausgeformt.
Die Firma Ernst Wahliss war ab 1863 in Wien, ab 1883 in London nachweisbar und erwarb
1894 eine keramische Fabrik in Turn-Teplitz (Neuwirth, Wiener Keramik 1973, S. 327-337).
Sie vertrat auf Ausstellungen - neben eigenen Erzeugnissen - vor allem auch die Fabriken
von Zsolnay/Fünfkirchen und Carl Knoll/Fischern bei Karlsbad.
Um 1902 erwarb Wahliss von der Wiener Neustädter Fabrik De Cente annähernd 600 Model
le der Wiener Porzellanmanufaktur, De Cente hatte nach 1864 diese Modelle von der eben
geschlossenen Manufaktur übernommen (s. S. 273).
Neuausformungen nach den Alt-Wiener Modellen stellte Wahliss bereits 1902 in Wien und
London aus. Neben anderen Figuren wurden vor allem 180 Soldaten erwähnt ,,ein wahres
plastisches Bilderbuch aller Uniformen in Österreich seit 300 Jahren”.
Die Teilnahme der Firma an der „Kunstgewerblichen Ausstellung der künstlerischen Vereini
gung in Turn” wurde im Sprechsaal besonders hervorgehoben (Sprechsaal 1905, S. 1332):
„Wahliss hatte eine gut gewählte und vortrefflich ausgeführte Kollektion von Geschirren und
Figuren nach den Original-Modellen der Wiener Staats-Manufaktur gebracht, die den Kera
miker wie den Kunstfreund mit Freude erfüllen mußte. Insbesondere die Figuren-Serie
zeigte, daß die Firma bei Herstellung derselben das Rezept der Alten verwendet hatte, etwas
Porzellanmasse mit viel Liebe und Sorgfalt. Die zierlichen, bis in’s kleinste Detail sorgfältig
ausgearbeiteten Figürchen beweisen, daß unsere Vorfahren Technik und Wirkung des Por
zellans besser zu würdigen wußten als wir. Neben mythologischen Typen und Gruppen ent
hielt die Kollektion die Reproduktion der Modelle von altösterreichischen Militär-Typen.” Im
Jahre 1906 berichtete der Sprechsaal von der Ausstellung der Firma Wahliss im Berliner Rit-
terstraßen-Viertel (Sprechsaal 1906, S. 263):
„Ernst Wahliß, Turn-Teplitz, ist von einer außergewöhnlichen Vielseitigkeit, da er sowohl
Luxusartikel wie Gebrauchsgeschirre in Porzellan und außerdem noch Fayencen und
Terrakotten erzeugt... Neu sind Minton- und Blumendekore auf Fayence, Porzellane im Alt-
Wiener Genre und Biskuit-Gruppen im Empire-Charakter.”
Auf der Winterausstellung 1906/07 im österreichischen Museum für Kunst und Industrie prä
sentierte die Firma Wahliss folgende Exponate, laut Katalog (Kat. Wien 1906/07, Nr. 617-631)
„nach den Original-Negativformen der ehemaligen Wiener kaiserlichen Porzellanmanufak-
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