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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 2)

Weit bedeutender als dieser erste Versuch Lechters ist sein zweites 
Buch: „Der Schatz der Armen" von Maurice Maeterlinck. Dasselbe erschien 
wieder im Verlage von Diederichs, und seine Schlussnotiz lautet: „Titel- 
bilder, Zierate, Überschriften, Zahlen, Initialen, Schriftanordnung von 
Melchior Lechter, unter dessen artistischer Leitung dieses Buch im Jahre 
1898 bei Otto v. Holten, Berlin, gedruckt wurde." Das ganze Buch ist ein 
Werk aus einem Gusse. Mit derselben halbfetten Antiqua, im Quartformat 
gesetzt, ist ein wundervolles, ruhiges, ganz geschlossenes Seitenbild erreicht 
worden, dessen sich die besten Drucker der Incunabelzeit nicht zu schämen 
brauchten. Das Titelbild und der sonstige Buchschmuck weist den strengen 
mittelalterlich-mystischen Stil des Künstlers auf. Das Titelbild zeigt eine 
auf Felsen gebaute Burg mit Zinnen und Thürmen, darin ein Hain mit 
schlanken Bäumen, aus deren Mitte sich ein hoher Dom erhebt, auf den 
die Strahlen der Sonne niederfluthen. Die Zeichnung steht in starken 
Contouren auf schwarzem Grunde. Auch die grossen Initialen der Capitel- 
anfänge und die Schlussleisten treten in schweren Linien aus tiefschwarzem 
Grunde wirkungsvoll heraus. Sie fügen sich, zusammen mit den tiefroth 
gedruckten Capitelüberschriften, in schöner Harmonie dem Seitenbilde ein. 
nur sind sie vielleicht etwas zu schwer für die Textschrift und das Format 
der Seite. Einige der Versalien und Seitenzahlen Lechters lassen die für 
Schriftzeichen nothwendige Deutlichkeit vermissen. 
Bei den Capitelanfängen und -Ausgängen hat der Künstler dem schönen 
Seitenbilde zu Liebe alle sonst üblichen leeren, weissen Räume vermieden; 
der Druck läuft ebenmässig fort, die rothen Capitelüberschriften, die grossen 
Initialen und hin und wieder eine Schlussleiste geben dem Leser die 
genügende Unterbrechung. Man sieht an diesem Buche, wie wunderschön 
sich der in dem starren Canon der Setzer vorgeschriebene leere Raum beim 
Beginne eines neuen Capitels vermeiden lässt, und wie viel die gedruckte 
Seite dabei an ruhiger Schönheit gewinnt. 
In dem „Schatz der Armen" ist Lechter auch wieder zu den grossen 
Anfangsbuchstaben der Hauptwörter und zu den üblichen Interpunctions- 
zeichen zurückgekehrt. Nur eines empfinde ich bei dem schönen Buche als 
eine hässliche Störung: das Fehlen eines breiten äusseren Papierrandes. 
Man kann, wenn der Rand so schmal ist wie in diesem Buche, kaum 
umblättern, ohne auf den Druckspiegel zu fassen (Abb. S. 59). 
Weiter hat Lechter eine Auswahl aus ]ean Pauls Werken ausgestattet, 
die ebenfalls im Verlage der „Blätter für die Kunst" herausgegeben und eben- 
falls bei Holten gedruckt worden ist (Berlin 1900). Auch hier erzielt der 
Künstler ein schönes Bild der Seite mit kleineren Initialen und schmalen 
Leisten an den Innenstegen der Blätter, die zugleich die Seitenzahlen 
enthalten, und mit rothen Überschriften und Marginalien. Die Einleitung 
und die Inhaltsübersicht sind reich in Blau und Roth gedruckt. 
Eine ganz ähnliche Druckausstattung hat Holten für die Festschrift der 
Berliner Volksbibliotheken und Lesehallen von A. Buchholz gewählt, mit
	        
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