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AS neue Wort „Buchkunst" ist gebildet worden, um
einen guten alten Ausdruck, der etwas abge-
braucht und vielfach missbraucht worden war,
zu ersetzen. Buchkunst bedeutet ja im Grunde
nichts anderes als Buchdruckerkunst, will aber
auf den Begriff „Kunst" im Buchdrucke und in
der gesammten Buchausstattung neuen Nach-
druck legen, nachdem von der „Kunst" in der
modernen Buchdruckerkunst so lange wenig
oder nichts zu merken war, und Kunst hiebei
nur noch so viel zu bedeuten hatte wie
Technik. Buchkunst ist in der neuzeitlichen Bewegung im Buchgewerbe
das Schlagwort geworden, um den Begriff „künstlerische Buchausstattung"
kurz auszudrücken.
Wir haben es von den alten Buchdruckern des XV. und XVI. Jahr-
hunderts neuerdings wieder gelernt, das Buch als Ganzes aufzufassen. Die
Druckschrift soll an sich künstlerisch sein, die grossen Buchstaben oder
„Versalien" müssen mit den kleinen oder „gemeinen" Buchstaben in Form
und Schnitt übereinstimmen, die Grösse der gedruckten Seite, der „Columne",
muss im rechten Verhältnis stehen zu der Grösse, dem „Cm-ade" der Schrift;
der Satz muss so ausgeglichen sein, dass grössere weisse Lücken vermieden
werden und ein schönes volles Seitenbild entsteht; die Capitelüberschriften,
die Columnentitel und auch die Seitenzahlen, die Anmerkungen und Rand-
bemerkungen, alles das muss sich geschmackvoll in das ganze Bild der
Seite einordnen; der Bildschmuck, wie Initialen, Kopf- und Schlussleisten
und Textbilder, soll sowohl in der Schwarzweisswirkung oder in der
Farbenwirkung zu der Druckschrift passen, als auch mit feiner Abwägung
der Gesammtwirkung in den Text eingefügt werden, und schliesslich sollen
Druckfarbe und
Druckpapier, Vor-
satzpapier und Ein-
band im Einklang
miteinander und mit
dem Ganzen stehen
- das sind ungefähr
die Lehren, die uns
bei näherer aufmerk-
samer Betrachtung
die schönen Bücher
der alten Meister
geben. J. V. Cissarz, Buchschmuck aus Helene Vuigl-Diederichs, Unlerstrom
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