werden die Kunstfreunde in die Lage versetzt, nach festgestelltem Tageskalender die theils
unzugänglichen, theils nicht ohneweiters besuchbaren Palais, Privatsammlungen und
Künstlerateliers der Residenz der Reihe nach zu besichtigen. Das Erträgnis ist wohl-
thätigen Zwecken gewidmet. Damit öffnet sich plötzlich die grosse Kunstkammer des
Wiener Privatlebens und selbst der Kunstkenner Endet reichliche Nachträge zu seinen
Kunsterfahrungen einzuheimsen. Wie reichlich diese fliessen, ist gerade jetzt auch
schwarz auf weiss zu erkennen, wenn man das neue „Handbuch für Kunstpfiege in
Österreich" aufschlägt, das, soeben von Wilhelm Freiherrn von Weckbecker muster-
giltig redigirt, vorn k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht herausgegeben wurde.
(Wien, k. k. Schulbücherverlag 1902.) Im Jahre x90! erschien dieses Buch zum ersten-
male, als mässiger Octavband von 333 Seiten, die jetzige dritte Auflage ist ein ansehn-
licher Grossoctavband von 8x8 Seiten. Das allein charakterisirt schon den grossen
Aufschwung, den die staatliche und private Kunstpflege in Österreich während des
letzten Jahrzehntes genommen hat. Auf allen Gebieten sehen wir die Aufwendungen und
Ergebnisse wachsen. Wenn das Staatsbudget der Akademie der bildenden Künste 189: mit
xx6.450 H. angegeben war, sind jetzt 317.200 Kronen eingestellt. Die Staatsstipendien an
der Kunstgewerbeschule sind von 4900 fl. auf 32.900 Kronen gestiegen. Neue Behörden,
wie der hochwichtige Kunstrath, treten auf den Plan; neue Institute, wie das k. k. archäo-
logische Institut, sind in voller Wirksamkeit. Die Kunstkäufe der Regierung finden in
grösserem Masstabe statt und ermöglichen, namentlich auch dank der neu angeregten Opfer-
willigkeit von Privaten, die Erwerbung früher unerschwinglicher und doch dermalen unent-
behrlicher Kunstwerke, wie die Bilder von Makart („Ariadne", „Fünf Sinne", Ölzeltscher
Plafond), Klinger („Urtheil des Paris", „Christus im Olymp"), Segantini, Böcklin („Meeres-
idylle"). Der gewerbliche Fachunterricht hat nicht minder zugenommen, von 85 Fach-
schulen auf 103, die nationale Verdoppelung mancher Kunstanstalten (Prag, Brünn), die
Pilege kunstgewerblicher Specialitäten (Krainische Kunstwebeanstalt x8g8), neue Museen
(Czernowitz x8g3), Specialmuseen (Matejko-Museum in Krakau), die Secessionen in
verschiedenen Städten („Manes" in Prag, „Sztuka" in Krakau), auch neue Meisterschulen
(A. v. Schrötter in Graz) - all das hat das Gesammtbild ganz bedeutend bereichert. Und
neben diesem mannigfaltigen Stoffe behandelt das Buch noch die Privatsammlungen in
Österreich. Für Wien sind deren 200, für das sonstige Niederösterreich 46 specificirt. Und
im allgemeinen sind sie möglichst in historisch-beschreibender Weise behandelt, so dass
das Buch einen gewissen Katalogwert erhält. S0 sind den Kunstschätzen der Hofbibliothek
statt einer einzigen Seite deren x4 zugewandt, wobei die durch die vorjährige Ausstellung
in den Vordergrund gerückten Miniaturen eigens berücksichtigt sind. Auch die wertvolle
Sammlung des Erzherzogs Franz Ferdinand, die durch den Estäschen Kunstbesitz so
wichtig geworden, tritt hier in den Gesichtskreis des Publicums. Die Umschau erstreckt
sich bis auf die speciellsten Sammelgebiete, wir nennen die Petermandfsche Messer-
sammlung in Stein, die jetzt dem Staate gehört und unter der Verwaltung des Ministeriums
von 2800 auf 4047 Stück gestiegen ist, dann etwa die Stöckesammlung des Opernsängers
Winkelmann. Mit besonderer Sorgfalt sind die vier Register des Buches redigirt, worunter
auch zwei für die Fächer und die Künstlernamen, durch die der Forscher mühelos
ermitteln kann, wo überall die Werke einzelner Meister verstreut sind. Nach alledem wird
das Buch jedem Kunstinteressenten willkommen sein und für längere Zeit einem täglich
gefühlten Bedürfnis abgeholfen haben.
ECESSIQN. Die dreizehnte Ausstellung der Secession ist, mit fast 200 Nummern,
ansehnlich ausgefallen. Ihr Typus ist Wien-München. An der Spitze freilich erblickt
man einen vollkräftigen Böcklin, jene grosse „Meeresidylle" von x887, aus dem Besitze
des Commerzienrathes Ernst Seeger in Berlin, die das Unterrichtsministerium um den Preis
von 80.000 Mark erworben. Das Bild ist in Wien willkommen, denn ohne Böcklin kann
eine moderne Galerie sich nicht sehen lassen. Der Künstler selbst nannte die Scene