seiner Farm in East-Aurora eine Druckerei angelegt. Seine Frau hat die
Bücher illuminirt. Nach und nach vergrösserte sich das Unternehmen. Hub-
bards kleine, streitbare Zeitschrift „The Philistines" ward daselbst verlegt.
Ausgaben Shakespeardscher Sonette, solcher von Brownings, Tennysons
und Ruskins Werken wurden veranstaltet und I-Iubbards eigene Werke:
„Kleine Reisen" zu berühmten Autoren, Staatsmännern, Musikern u. s. w.
wurden hier gedruckt, gebunden und illuminirt. Fast die ganze Einwohner-
schaft von East-Aurora und Umgebung wurde schliesslich in die Arbeiter-
gemeinde einbezogen, besonders die jungen Mädchen zeigten sich für das
Illuminiren sehr geeignet. Nicht zwei Bücher gleichen sich. Die ganze Ver-
einigung - denn jeder Arbeiter hat Antheil am Gewinn - führt unter
Hubbards Leitung ein künstlerisch erhöhtes Dasein, denn die Wohnstätten,
Versammlungslocale, die ganze Lebensführung ist nach den Principien
einer Durchdringung der Kunst ins Leben geleitet. William Morris ist
Hubbards Ideal. Der Name „Roycrofter" ist nach einem Mann namens
„Roycrof " gewählt, der einst in England schöne Bücher verfertigte. Dem
eigenen Bedürfnisse entsprechend, werden neuerdings auch Möbel-
schreinereien, Steinhauerarbeiten u. s. w. von den Roycroftern ausgeführt.
Elbert Hubbard und seine Roycrofter, die bereits allerlei Nachfolger
finden, thun in doppelter Beziehung ein gutes Werk: nicht nur stellen
sie echt künstlerische Producte her, sondern sie helfen auch gewaltig
zur Schätzung der individuellen Arbeit, auf der ja allein der Fort-
schritt der Kunstgewerbe basiren kann. Der einzelne darf nicht sclavisch
arbeiten, sondern muss den Stempel seines „Ichs" dem Werke aufdrücken
und kann so den Ruhm seiner eigenen Arbeit geniessen. Nur wenn die
Massenproduction nicht das Talent und den Ehrgeiz tödtet, kann sich die
Industrie zur Kunstindustrie, das Handwerk zum Kunsthandwerk erheben.
Es sei hier noch erwähnt, dass die schönsten Illuminationsentwürfe von dem
Roycrofter Sammy Warner herrühren.
Institutionen wie diejenige von Elbert Hubbard und die Bestrebungen
vieler der vorgenannten Künstler und Kunstfirmen führen die nüchternen,
geschäftsmässigen, aber nicht talentlosen Amerikaner, auf dem Boden, wo
die Kunst wieder Eins wird mit dem Leben. Über die ersten, humpelnden
Gehversuche sind wir glücklich hinaus und es ist zu hoffen, dass sich das
amerikanische Kunstgewerbe nun mit stolzeren Schritten seinen europäischen
Geschwistern nahen wird.
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 50' VON
LUDWIG HEVESI-WIEN 50'
s Ä 7 IENER KÜNSTWANDERUNGEN. Wir standen neulich vor dem Beginne
dieser Rundreise durch die Wiener Kunst; heute ist sie, im ersten Cyclus, nahezu
vollendet. Der Erfolg der zu wohlthätigem Zwecke unternommenen Massenwanderung
hat die Erwartungen übertroffen; es gab Tage, an denen 600-700 Personen mit von der
Partie waren. Die grossen Palaisbesitzer und Kunstförderer selbst ergriffen ganz gern die