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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 3)

Gelegenheit, einander einmal ohne Formalitäten im Lichte der Deutlichkeit zu sehen und 
zu vergleichen. Man ist dabei über Vieles ins Reine gekommen. Zwar, die kunst- 
geschichtlichen Nebel, die uns das XVIII. Jahrhundert hinterlassen, waren durch kein 
Nachblättern zu zerstreuen. Hinsichtlich des Wiener Barock lassen uns die Archive bisher 
im Stiche. Ist doch selbst über den Bau des Belvedere bisher nichts Urkundliches gefunden, 
und in den Briefen des Feldmarschalls Daun ist von dem Prachtpalais, das er sich baute, 
dem jetzigen Palais Kinsky, mit keinem Worte die Rede. Die alten Kunstchronisten aber 
verschenkten die Urheberschaften an den grössten Bauwerken mit einer Gewissenlosigkeit, 
dass Raum für eine eigene Art von Paternitätsklagen gewesen wäre, wie denn Freddy 
sogar die Karlskirche ungenirt dem Domenico Martinelli schenkt. Dagegen ist es noch 
immer reine Conjectural-Kunstgeschichte, dass das Liechtensteidsche Majoratspalais ein 
Bau Martinellis sei; Ilg, der dies in seinem Fischer-Werke annimmt, ist noch ein paar Jahre 
früher (bei Niemann) „sehr bestimmt" für einen Gabriel de' Gabrielli. Nun, wenigstens 
hat man sich jetzt von den Objecten ein klares, neueres Bild gemacht. Eigentlich sind ja 
diese Pracht-Interieurs wenig mehr als ein I-Iörensagen. Selbst die Ceremoniensäle der 
k. k. Hofburg besucht mehr der Fremde als der Wiener, dem höchstens von der Tages- 
zeitung her der „Marmorsaal" oder „Pietradurasaal" geläufig ist. Uns interessirte in dieser 
grossartigen Zimmerflucht doch am meisten das Schlafgemach Maria Theresias. Schon 
weil es vor Jahren in so wunderbar discreter und authentischer Weise restaurirt wurde. 
Wohl ein Dutzend Stickkünstlerinnen arbeiteten damals in einem eigenen Atelier in der 
Hofburg ein gutes Jahrzehnt daran, alle die alten, zum Theil schadhaften Goldstickereien 
vom morschen Sammt abzulösen und mühsam restaurirt auf neuem, eigens in Frankreich 
gewebtem Sammt von derselben purpurnen, fast schon schwarz wirkenden Nuance zu 
applikiren. Das Ergebnis ist herrlich. Man braucht nur an das weltberühmte Prachtbett 
König Ludwigs II. mit seinen centnerschweren Quasten und Fransen zu denken, um vor 
diesem alten Bette Maria Theresias eine Reverenz zu machen. Hier sind die ellenbreiten 
Goldstickereien mit einer tadellos vornehmen Ruhe gegeben, als Flächendecor eines 
Gebrauchsmöbels, nicht als I-Iochrelief eines Gebildes, das eigentlich ein Triumphbogen 
ist. Dieser Raum ist ein Denkmal des hochherrschaftlichen und dabei hausfraulich soliden 
Maria Theresia-Stils. Eine andere, etwas ältere Interieur-Perle ist das Goldcabinet im 
Stadtpalais des Prinzen Engen, jetzt Finanzministerium. Dieses (bei Ilg ganz unrichtig 
beschriebene) Cabinet hat blaue Leinwandtapeten, an denen die zierlichsten bunten 
Rosengewinde senkrecht aufsteigen und sich in Windungen weiterschlingen. Alles Holz- 
werk ist vergoldet und mit bunten Grotesken zierlich bemalt. Die Decke aber ist ein 
blendendes Gold-in-Gold, von einem hellen, gemalten Spiegelfeld (Putti mit Blumen) 
durchbrochen. Sie gliedert sich als Ganzes durch einen mächtigen Frieswulst, über dem 
eine noch mächtigere Hohlkehle in den Plafondspiegel übergeht. Diese Hauptformen sind 
streng festgehalten, obgleich sie zusehends in eine Unendlichkeit von kleinem ornamentalem 
und iigürlichem Reliefschmuck zu zerbröckeln scheinen. Finanzminister Ritter von 
Dunajewski hat 1888-1890 eine ganze Reihe von sieben Räumen in der Nobeletage 
wieder herstellen lassen, wobei zwei Säle sich noch ihrer alten Frescoplafonds von Chiarini 
(Mythologien in üppiger gemalter Architektur) erfreuen. Die Wandbehänge sind schwere 
Seidenbrocatella in Farben, die Möbel möglichst nach Eugen'schen Mustern (auch aus 
Schlosshof) gebildet. 
Uns interessiren an dieser Stelle natürlich zunächst die Interieurs, diese aber können 
wir vom Barock bis in die neueste Zeit herauf verfolgen. Die royalistischen Stile des 
XVIII. Jahrhunderts treten uns noch im Palais Kinsky sehr beredt entgegen. Da ist vor 
allem ein deutsches, unwillkürlich als böhmisch angesprochenes Barock, in dem noch 
etwas Wallenstein-Zeit ausklingt. Breitspurig, ernsthaft, wie etwa im Arbeitscabinet des 
Fürsten, wobei auch noch Alles mit böhmischen Gläsern, altdeutschen Steinkrügen und 
Porzellanen der classischen Zeit vollgestellt ist. Dabei Curiositäten, wie das dunkle Eichen- 
getäfel des Speisesaales aus dem Pressburger Dom, ganz in hohe, schmale Nischen
	        
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