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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 5)

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angelsächsische Missionäre im frühen Mittelalter 
nach dem Festlande gekommen ist, festzuhalten, 
um gewisse hervorstechende Kunstformen der 
zentraleuropäischen Schreibschulen zu verstehen. 
Ein Vergleich der Illustrationen des eben erwähn- 
ten irisch-angelsächsischen für die Salzburger 
Kirche erworbenen Manuskriptes mit den autoch- 
thonen Erzeugnissen der Salzburger Schule zeigt, 
dass die eben erwähnten charakteristischen Kenn- 
zeichen irisch-angelsächsischen Stils sich schon in 
den frühesten, aus dem IX. Jahrhundert stammen- 
den Manuskripten der Salzburger Schreibschule 
wiederfinden. Aber nicht bloss in diesen. Der 
irisch-angelsächsische Einfluss hat sich auf weiten 
"Gebieten geltend gemacht. Eines der herrlichsten 
Manuskripte, das uns aus jener Blütezeit der 
Kalligraphie im IX. Jahrhundert erhalten ist, das 
Bruchstück einer Abschrift des Sakramentars des 
Papstes Gregors des Grossen, vielleicht aus dem 
Kloster St. Vaast in Arras stammend (cod. 958), 
bietet in seiner Umrahmung mit Flechtwerkfüllung 
und stilisierten Schlangenmotiven eine Prachtprobe 
jenes Stils, bei dem sich den fränkischen auch 
angelsächsische Elemente beigesellten. Auf die 
wundervolle Ausstattung der Handschrift kann 
nicht nachdrücklich genug hingewiesen werden. 
Die Reproduktion zeigt, wie die in grossen Dimen- 
sionen gehaltenen Verbindungen der Kapitalbuch- 
staben TE und VERE durchgeführt sind. Die fein empfundene Farben- 
zusammenstellung muss allerdings an dem Originale studiert werden. Auch 
die - freilich nicht in solcher Farbenpracht hergestellte H Initiale P (aus 
cod. 123g), bei der die angedeuteten Merkmale des irisch-angelsächsischen 
Stils sofort wieder erkannt werden können, kann als weiteres Beispiel dieses 
Einflusses gelten. 
Das allgemeine Urteil über die figurale Gestaltungskraft der deut- 
schen Buchmalerei, wie sie in den Denkmälern vom IX. bis etwa XIII. Jahr- 
hundert entgegentritt, fällt nicht eben günstig aus?" Die deutsche Buchmalerei 
in dem bezeichneten Zeitraume liefert uns Zeugnisse, die vom kulturhisto- 
rischen Standpunkte aus grösseren Wert besitzen als vom künstlerischen. Man 
durchblättere die wertvollsten Stücke der Miniaturausstellung, die in der 
deutschen Abteilung jene Epoche vertreten, und man wird dies Urteil 
" „Eine Produktion von geringerem Durchschnittsmasse, die einfache Fortsetzung der im X. jahrhundert 
herrschenden Kunst behauptet (in Deutschland] allein das Feld. Eine Wandlung des Stiles tritt zwar nicht ein, 
wohl aber eine Vergröberung der Auffassung und Behandlung . . . . das Formgefühl ist roher, die Gewandung 
dürftiger, die Ausführung mechanischer". A. Woltmann, Geschichte der Malerei I, 270 f. 
Lateinisches Evangeliar (Cod. m24)
	        
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