Es sind die zuletzt be-
sprochenen Bilderhand-
Schriften Zeugnisse, auf
welche die österreichische
Kunst freudig hinweisen
kann - gleichwohl darf
man nicht verkennen, dass
während des XIV. Jahr-
hunderts im heiligen römi-
schen Reiche deutscher
Nation die Führerrolle im
geistigen Leben überhaupt,
wie im künstlerischen ins-
besondere, nicht den inner-
österreichischen Landen,
sondern Böhmen zugefallen
war. Die hohe kulturelle
Entwicklung dieses Lan-
des, in dem ein französisch
gebildeter Hof segensreich
waltete, begünstigte das
mächtige Emporblühen der
böhmischen Kunst.
Es hiesse die ganze
. Entwicklung des Stamm-
Parzival (wd- 2914) landes Böhmen verkennen,
wollte man leugnen, dass
die Elemente kulturellen, insbesondere künstlerischen Lebens, andere als
deutsche waren. So nennt denn ein berufener Kunsthistoriker die böhmische
Kunst „eine Pflanze, die ihrer slavischen Muttererde in einem von deutschen
Händen geformten Gefäss entspross und hin und wieder von welschen Gärt-
nern gepflegt und veredelt wurde. Sie trägt die Züge germanischen, slavischen
und romanischen Wesens". Die böhmische Miniierkunst, bereits von Karl IV.
gepflegt, erlangt ihre höchste Entwicklung unter Wenzel IV. Der neueren
Forschung ist es zu verdanken, dass nicht nur die zum Teil weit
versprengten Bestände seiner stattlichen Sammlung von Prachthandschriften
sicher ermittelt, sondern auch die Eigentümlichkeiten ihres bildnerischen
Schmuckes mit aller wünschenswerten Genauigkeit festgestellt werden
konnten. Der Ausgangspunkt darf von den im Besitze der k. k. I-Iofbibliothek
befindlichen Manuskripten genommen werden. Unter ihnen ist wieder keines
wichtiger als die berühmte Wenzelsbibel, eine deutsche Übersetzung der
Heiligen Schrift in sechs mächtigen Foliobänden, die gegen Ende des
XIV. Jahrhunderts geschrieben und zum Teil (BandI und II) reich illustriert
wurden (cod. 2759-2764). Der hohe Wert der Wenzelhandschriften liegt -