Unbewusst schlummerte in der
Seele des kaum dem Kindesalter
entwachsenenjünglings ein Kunst-
empfinden, das nur umso mäch-
tigerhervorbrechen sollte, je länger
es ohne Nahrung geblieben war.
Als eines Tages in seinem Hei-
matsorte eine neue Christusstatue
zur Ausführung gelangte, ent-
schied sich sein Beruf. Ein mäch-
tiger Wunsch, auch einmal Ähn-
liches machen zu können, ver-
drängte alle anderen Neigungen
des wie vor eine Offenbarung ge-
stellten jugendlichen Talentes. Auf
vielfaches Drängen kam der Junge
zunächst zu einem Steinmetz in
die Lehre und besuchte gleich-
zeitig die schlesische Landesfach-
g schule für Marmorindustrie in
Hans Schwabe, Ponräthüste Saubsdorf. Die gewerbliche Rich-
tung, in der sich dieser Studien-
gang bewegte, konnte aber seinem Kunstdrange nicht genügen, und so kam
er nach wenigen Jahren auf den Rat eines Schuldirektors nach Wien an
die Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums. Vielleicht wäre ein
rein akademischer Unterricht für Schwathes Begabung vorzuziehen
gewesen, indes hatte der junge Kunstgewerbeschüler das Glück, einen
Mann zum Lehrer zu erhalten, der ebenfalls der hohen Kunst näher stand
als den Kleinkünsten, den leider zu früh verstorbenen Professor August
Kühne. Dieser fein empfindende, gemütstiefe Künstler, der in seinem inner-
sten Wesen modern und Secessionist war, lange bevor diese Begriffe
gewöhnliche Schlagworte geworden waren, erschloss dem strebsamen Schüler
eine neue Welt, die er willig in sich aufnahm, so dass man gar bald den
Einfluss erkennt, den Kühne auf seinen Entwicklungsgang nimmt. Kühnes
Phantasie bewegte sich nicht im Decorativen. Nicht so sehr die geschmei-
dige, einwandfreie, klassisch schöne Linie, als vielmehr die ausdrucksvolle
war es, für die der Meister das lebhafteste Empfinden besass. Eine Grund-
stimmung anzuschlagen, sie im Ausdruck des Kopfes klar mitzuteilen und
in einem gefälligen, aber durchaus aus dem Motiv selbst geschöpften Rhyth-
mus über den Körper hin ausklingen zu lassen, das war seine Stärke. Dabei
ist ein elegischer Zug fast allen seinen Schöpfungen eigen. Sie haben etwas
Sanftes ohne Süsslichkeit; eine stumme Klage schwebt auf den feinen Lippen,
ein unbefriedigtes Sehnen spricht aus den beseelten Augen. Man hört den
Künstler selbst aus seinen Werken, den einsamen unberühmten Mann, der