welche das Buch nicht leicht verstanden werden könnte","' ferner die
sogenannten Bestiarien, darunter zum Beispiel der „Bestiaire d'amour" des
Richard de Fournival, weisen auf die von Haus aus beabsichtigte Verbindung
zwischen Text und Illustration hin; Matfre Ermengau aus Beziers bezieht
sich, wie wir noch sehen werden, in seinem „Breviari d'amor" direkt auf
die seinem Texte beizugebenden und in den Handschriften wirklich vor-
handenen Illustrationen.
Diese Hinweise vom Wort auf das Bild sind vom Standpunkt der
Literaturgeschichte aus noch eingehender, als es bisher geschehen, zu
beachten. Der einschlägige Beitrag: „Livres d'images" in der Histoire litteraire
de la France (XXXI, 213 ff.) bezieht sich nur auf die Bibeln und livres de
devotion. Wie erstaunliche Verbreitung aber auch die Illustration von
Profanschriften, und zwar speziell von solchen, die in der Vulgärsprache
verfasst sind, gewonnen hatte, zeigt sehr deutlich gerade unsere Miniaturen-
ausstellung, obwohl sie ja naturgemäss nur eine beschränkte Aus-
wahl von Beispielen vorführen konnte. Der „Meraugis" des Raol de
Hodenc, der „Roman de la Rose" (2 Exemplare"), die französische Version
von Haytons „Geschichte des Orients", das schon genannte Breviari Matfre
Ermengaus (z Exemplare), eine Weltchronik und andere leiten zu jenenMeister-
werken der Illustrationskunst - auch der niederländischen, die sich franzö-
sischen Texten zuwendete - hinüber, über die noch eingehender berichtet
werden wird. Der Fortschritt, den die französischen Schreibschulen im Laufe
von zwei Jahrhunderten machten, lässt sich an den ausgelegten Exemplaren
in allen Einzelheiten vortrefflich verfolgen. Aus unserem Exemplar des
„Meraugis" des Raol de Hodenc (cod. 259g) konnte nur eine ganz kleine
Scene: Meraugis kämpft gegen Gauvin und andere um seine Braut Lidoine
(„die Schmucke"), reproduziert werden, weil sich eben keine grösseren
Illustrationen in der Handschrift finden. Raol de Hodenc, der bedeutendste
Nachahmer des Christian v. Troyes, dichtete in den ersten Jahrzehnten des
XIII. Jahrhunderts und schilderte in seinem Roman „Meraugis" einen von
Damen gebildeten Gerichtshof, abenteuerliche Fahrten, Kämpfe, Belage-
rungen und Feste - unser Exemplar zeigt nun, dass zur Zeit, da es illustriert
wurde, das heisst, Ende des XIII., spätestens Anfang des XIV. Jahrhunderts,
die Miniaturmalerei trotz aller lebhaften Bewegung, die auch aus diesem
Bilde spricht, bei Profantexten selbst für eine vorzüglich auszustattende Hand-
schrift noch nicht jene Freiheit künstlerischen Ausdruckes in grösserem
Masstabe fand, die wir bei späteren Illustrationswerken bewundern. Immer-
hin sei schon jetzt darauf aufmerksam gemacht, dass die Franzosen auch ihre
Profantexte ganz durchzuillustrieren pflegten und den Bilderschmuck gleich-
mässig auf den Text verteilten, während die Italiener gerade zur Zeit der
' Vergleiche Histoire de la Langue et de la Litterature francaise, Paris, II (1896), x74.
i" Dass G. F. Waagen. „Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien", Wien, 1867, Band II, 37, die Bilder
der einen Handschrift des "Roman de la Rose", cod. 2589, einem Niederländer zuschreibt, ist mir bekannt; sie
ist aber, wie die Schrift zeigt. zweifellos in Frankreich geschrieben, und diese Tatsache reiht sie in die vor-
liegende Zusammenstellung ein.