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Knöpfe in Gold, Blau und Rot. Das für die
französische Schule charakteristische Dornblatt-
motiv - noch ganz in der Manier des XIV.]ahr-
hunderts gehalten - ist hier in vollendeten
Specimina auf allen Seiten vertreten. An
grösseren Illustrationen enthält die Handschrift
nur drei; jede aber ist von besonderer Vortreff-
lichkeit. Das zur Reproduktion ausgewählte
Blatt (F01. 12 a] zeigt die im Grünen auf Polstern
ruhende „Glorieuse vierge Reine", welche das
jesuskind auf dem Schosse hält. Dieses streckt
sein Händchen nach den Blumen aus, die ihm
ein Engel in einem Korbe darreicht. Die Szene
ist gut aufgefasst, namentlich Haltung und Ge-
sichtsausdruck des Kindchens vortrefflich ge-
lungen. Zu beachten ist auch der für die franzö-
sische Schule bezeichnende, ungemein fein aus-
geführte Schachbrettfond.
Den eben besprochenen Perlen der im
Dienste des Gebetbuchschmuckes stehenden
Miniaturkunst reihen sich Meisterwerke franzö-
sischer Profanmalerei aufs würdigste an; kaum
dürfte auf ausserfranzösischem Boden diese
Tatsache durch so herrliche Belege zu illu-
strieren sein, als durch den Schatz von Pracht-
codices, den unsere Hofbibliothek ihr Eigen
nennt. Eine gerechte Würdigung der Profan-
illustration hat von der Erwägung auszugehen,
dass diese der mächtigen Tradition, die auf
dem Gebiete der kirchlichen Malerei ein volles
Jahrtausend umspannt, entbehrte, vielmehr
bei Darstellung ihrer Gebilde selbständig er-
findend schaffen musste. Die französischen
Prachtmanuskripte der Hofbibliothek führen
uns nun die Meisterschaft, die diese frei schaffende Tätigkeit errungen hat,
durch Bilderschrnuck von unvergänglichem Werte vor Augen; sie geleiten
Gebezbuch (cod. 1840)