uns speziell an den Hof des
kunstliebenden Königs Rene
I., des Guten, von Anjou. Ei-
genartige Schicksale, in der
Tat fata libellorum, haben _
es gefügt, dass das Wirken 4
dieses liebenswürdigen Herr-
schers, der durch den Sohn
seinerTochterIolanthe,Rene
II. von Bar und Lothringen, 3
seit der Verbindung Maria L
Theresias mit Franz Ste-
phan von Lothringen zum
Ahnherrn unseres Kaiser-
hauses ward, sich nach über-
raschend vielen Richtungen
gerade in den Bücher-
schätzen dieses kaiserlichen
Erzhauses offenbart und
verfolgen lässt.
Rene (1408 zu Angers
als Sohn des Herzogs Louis
II. von Anjou geboren) war
„ein auserwählter Liebling '
desUnglücks".HarteSchick- '
salsschläge trafen ihn und
seine Familie: ein geliebtes
Mitglied nach dem anderen raffte ihm der Tod hinweg, das Kriegsglück wandte
sich wiederholt von dem tapferen und ritterlichen Heerführer, und nach der
verhängnisvollen Schlacht von Bulgneville (Vogesen) sass er Jahre hindurch
als Gefangener Philipps von Burgund im Turme zu Dijon. Die Verteidigung
seines Thrones von Neapel wurde durch Verrat vereitelt; auch die letzten
Lebensjahre wurden dem geprüften Herrscher durch die Besetzung Bars und
Lothringens seitens Ludwig XI.verbittert. Was ihm aber das Kriegsglück ver-
sagte, hat er sowohl durch weise Verwaltung seiner Länder und treue Für-
sorge für das Wohl seiner Untertanen, wie insbesondere durch Pflege der
Künste und Literatur gewonnen, und der Ruf des „guten Königs" lebt
heute noch wirksamer fort als ein blutiger Ruhm, den er durch glückliche
Schlachten und Bedrückung seiner Gegner hätte erringen können.
Rene, eine entschieden dichterisch angelegte Natur, empfing schon in
seiner Jugendzeit mächtige Anregungen, die diese Anlage schaffensfreudig
stimmen mussten. An dem kunstliebenden lothringischen Hofe zu Nancy
erzogen, war er als Einundzwanzigjähriger Zeuge jenes historischen Augen-
blickes, da Karl VII. feierlich gekrönt wurde; die späteren Schicksalsschläge
Gebetbuch (cod. 2655)