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Symbolischen, das in
die frühmittelalter-
liche Miniatur hinein-
gelegt ist, und von
dem wir üppige Vor-
räte gerade in fran-
zösischenBilderhand-
schriften aufgespei-
chert sehen, entspre-
chend zu würdigen.
Man hat diese früh-
mittelalterliche Peri-
ode der Miniatur-
malerei nicht unzu-
treffend die hieratische
genannt. Ihre Geltung
erstreckt sich durch-
aus nicht allein auf
die französischen
Schulen, sondem auf
alle Schreibstätten
des Abendlandes.
Der bedeutsame
Übergang zurzweiten
grossen Periode der
mittelalterlichen
Miniaturmalerei ist j e-
doch in seinen ersten
Symptomen beson-
ders deutlich auf französischem Boden bemerkbar und fällt dort etwa in die
Regierungszeit Ludwig des Heiligen. Was früher Sondergut der Geistlichkeit
war, gewinnt nun breiteren Boden; auch der Bürger lernt lesen, ja selbst
schreiben, und der Schritt zur Säkularisierung des früher ganz geistlichen
Scriptoriums ist gethan. Laien beschäftigen sich mit Kalligraphie und Mal-
kunst, die, durch der Herrscher und der Grossen Gunst gefördert, rasch auf-
blühen und solch weltlicher Gönnerschaft durch Prachtwerke der Kleinkunst
danken, die der profanen Literatur angehören. Wir erhalten Werke der
Miniaturmalerei, die sich nicht mehr exklusiv an die Geistlichkeit mit biblischen
Vorwürfen, Mystik und Symbolismus, sondern an einen viel grösseren Kreis
von Schaulustigen wenden. Neue Vorwürfe und Vorstellungen erheischen
Behandlung, für die der seit Jahrhunderten gesammelte Vorrat von Vor-
bildern nicht mehr ausreicht; die Maler werden zu selbständigem Erfinden
angeregt und hiedurch veranlasst, zu dem unerschöpflichen, so lange Zeit
vernachlässigten Vorbild zurückzugeben - zur Natur. Man hat daher
Bible historiee (cod. 2554)