Ritter sind, so ist - worauf eigentlich gar nicht erst hingewiesen zu werden
braucht - für Darstellung von Rüstung, Waffen, Kriegsgerät u. s. w. die
Zeit des Malers massgebend. Ganz vorzüglich detailliert erscheinen die
Schiffe, richtige Schlachtschiffe aus der Mitte des XV. Jahrhunderts, denen
wir übrigens auch im Josephus-Codex und in den „Croniques de Jheru-
salem" begegnen werden. An Grossartigkeit nicht leicht zu übertreffen ist
die Amazonenburg: man beachte die hinter der Umfassungsmauer hervor-
lugenden Bürgerhäuser, die in unmittelbarer Nähe der Veste Schutz finden;
diese Beobachtung erinnert so recht daran, dass das Wort „Bürger" von
Burg stammt.
Kaum lässt sich ein schärferer Gegensatz denken als derjenige, welcher
zwischen der wütenden Kampfszene und der Idylle, die uns Emilia im Burg-
garten verführt, obwaltet. Die schöne Maid mit wunderbar zarten, über
Nacken und Schultern herabfallenden Goldhaaren sitzt auf schwellender
Rasenbank im blühenden Burggarten, flicht Kränze, singt Lieder und scheint
in reizend unschuldiger Koketterie gar nicht zu bemerken, dass Palemone und
Arcita, die doppelt bedauernswerten Gefangenen und Nebenbuhler, durch
das Gitter des Burgverlieses nach ihr auslugemZutreffend bemerkt Chmelarz,
dass solche Meisterschaft in realistischer und dabei doch zartsinniger Dar-
stellung auch bei den anerkannten niederländischen Künstlern dieses Faches
vergeblich gesucht werden dürfte.
Die drei hier vorgeführten Bilder zeigen, nach wie vielen Seiten hin
sich das Können ihres Schöpfers betätigte. Sie stammen sämtlich vom
Meister A, den Durrieu, wie bemerkt wurde, mit Barthelemy de Clerc
identifizieren will. Irrte er hiebei nicht, so wird man auch seiner Schluss-
folgerung, dieser Lieblingsmaler Renes sei „destine a prendre a l'avenir
une place glorieuse dans l'histoire de l'art francais", beipflichten müssen.
Als tönender Nachhall des reichen literarisch-künstlerischen Konzertes,
das Rene leitete, stellt sich der „S0nge du Pastourel" des Jean du Prier dar,
ein Werk, das, soweit bisher bekannt wurde, nur in einer einzigen Hand-
schrift, im Codex 2556 der Hofbibliothek überliefert ist. In den Rechnungs-
auszügen des angevinischen Hofes erscheint Jean du Prier als „valet de
chambre" und „rnarechal des logeys (logis) du roi". Er wird für die „bons et
agreables Services" belohnt, die er dem König beständig leistete, und ausser-
dem wird ausdrücklich bemerkt, dass er literarische Aufgaben im Auftrage
und nach Anweisungen seines königlichen Herrn ausgeführt habe. Er ist
Verfasser einiger Mysterien (ministeria), denen zur Werdezeit der franzö-
sischen Bühne eine so bedeutende Rolle zufiel. Wir wissen, dass solche
liturgische Dramen in Anwesenheit Renes mit grösstem Aufwand und Prunk
in Szene gingen. Das Bild eines Ahnen unseres Kaiserhauses, den wir als
unerschrockenen Krieger, vortrefflichen Administrator, Freund der Natur,
Dichter, Schriftsteller, Gönner der Künstler, ja selbständig künstlerisch tätig
kennen lernten, offenbart sich uns hier in einer neuen Richtung: Rene
war ein eifriger Theaterfreund, und so manches plastisch Greifbare und