Sammlung noch eine stattliche Reihe anderer Meisterwerke niederländischer
Miniaturmalerei zu ihrem Besitz, die sich den Pariser und Brüsseler
Beständen würdig anreihen.
Eine ganz besondere Stellung nimmt die illustrierte holländische Über-
setzung der heiligen Schrift in zwei F oliobänden (cod. 2771 und 2772)
ein. Holländische, das heisst nordwestniederländische Bilderhandschriften
aus dem Mittelalter gehören, namentlich bei so grossem Umfange der
illustrativen Arbeit, zu den Seltenheiten. Eine vor kurzem erschienene
Studie über „holländische Miniaturen des späteren Mittelaltersw" vermochte
nur eine relativ geringe Zahl solcher Bilderbibeln aus dem XIV. und XV.Jahr-
hundert nachzuweisen. Der Vergleich des illustrativen
Teiles dieser Manuskripte lehrt, dass der Künstler, der
in den ersten Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts die
Wiener Handschrift ausschmückte, seiner Arbeit ein
selbständiges Gepräge gab. „Wir haben es mit einem frei
erfindenden Meister zu tun, dem eine Vorlage nur im
grossen und ganzen massgebend sein konnte." Das eine
der beiden von uns aus der Handschrift gewählten Bilder,
die Schöpfungstage, gestattet in instruktiver Weise die
Behandlung eines Vorwurfes zu verfolgen, der uns
bereits in drei Illustrationsproben (Taboriten-Bibel, Bible
historiee, lateinische Bibel aus Frankreich, cod. 1096)
entgegentrat und auch in der italienischen Abteilung
auf einem gelungenen Bilde (aus der Bibel cod. 1191)
vorgeführt werden wird. Man sieht auf den sieben,
die Schöpfungstage betreffenden Darstellungen Gott Vater
stets als Papst mit der Tiara, weisser Stola und vio-
lettem Pluviale - eine nicht seltene Darstellung, die sich
zum Beispiel auch in dem bereits beschriebenen franzö-
sischen Gebetbuch cod. 1855 und in dem noch zu
besprechenden Wiener Hortulus animae findet. Das bei-
gefügte achte Bild zeigt Maria mit dem Kinde in einer
gotischen Kirche. Diesem wird von einem Bischof ein
kniender Kanonikus - „wohl sicher der Besteller dieses
Manuskripts",
meint Waagen -
empfohlenAlsIni-
tialzier des Buch-
stabens J der dar-
auffolgenden Ko-
lumne sieht man
"k Von Willern Vo-
gelsangstudienzurdeux- _ l a x __ n
sehen Kunstgeschichte, '; l " ' ' "m3
18. Heft. Strassburg, 189g. Gebetbuch (cod. 1858), Aprilbild aus dem Kalender
r
l
i
1
l
1