die Würde und Kraft der Männerköpfe in feiner, vielfach gezeichneter
Malerei unleugbar."
Das Bild, das den heiligen Christophorus zeigt, wie er eben im Begriff
ist, das Jesuskind vom Boden aufzunehmen, ist, was „Gesamtbehandlung,
Farbenstimmung und das Helldunkel des hereinbrechenden Abends" anbe-
langt, vielleicht das beste Bild des Codex. Gerade dieses Helldunkel bei
später Abend- oder frühester Morgenbeleuchtung, oder in dunklen Kellern
und Gefängnisräumen wiederzugeben, macht einen der Hauptvorzüge
unseres Miniaturisten aus, welcher hiernach den berühmtesten französi-
schen Meistern dieses Faches würdig an die Seite zu stellen ist. Auch die feine
Beobachtung der Wasserspiegelung vor des Christophorus Körper und
Mantel und sogar des kleinen Lichtes in der Laterne des Mönches auf dem
jenseitigen Ufer ist ebenso bemerkenswert als die Zeichnung der Haupt-
figur und der Fischer, welche das Netz mühsam durch die Wellen ziehen."
In der Umrahmung der gegenüberstehenden Textseite ein Weinstock mit
Trauben auf goldenem Grunde. Das nächste, hier reproduzierte Bild führt
den heiligen Martin vor, wie er, zu Pferde sitzend, seinen Mantel mit dem
Schwerte in zwei Teile teilt, um die eine Hälfte einem halbnackten Krüppel
zu schenken. Man beachte, wie der Meister den legendarischen Vorgang
rnit einer voll aus dem Leben gegriffenen Szene verbindet." Unweit der
Kirche sitzt eine Frau, mit einem Wickelkind auf dem Arme, die ein Mädchen
neben sich sitzen hat und auf weissem, vor ihr ausgebreiteten Linnen kleine
Waren feilhält. F riedhofmauer, Bäume und Büsche auf dem Kirchhof selbst
bilden den mit feiner Empfindung ausgearbeiteten Hintergrund. Ganz köstlich
ist die auf der untern Leiste dargestellte Parodie: zwei Affen, im Turnier-
kampf begriffen, wobei ein dritter als Schiedsrichter assistiert.
Eines der besten und edelsten Bilder der ganzen an Illustrationen
wahrlich nicht armen Handschrift ist das der heiligen Elisabeth; sie erscheint
im Nonnenkleide, trägt die Krone in der Rechten (nicht auf dem Haupte, wie
Chmelarz angibt) und spendet mit der Linken einem Krüppel Almosen. Die
hierin liegende Symbolik, welche „Krone" und „milde Gabe" in eine
Parallele setzt, ist sinnfällig. Man hat den Eindruck, als ob sich der Realismus
an die Heilige nicht herangewagt hätte, da der Akt des Gebens durch die
Fingerhaltung überaus zart angedeutet, das Goldstück erst bei genauer
Betrachtung bemerkbar wird. Desto realistischer ist der Kopf des Krüppels
geraten, und wir sehen sofort, dass er die Gabe erst erwarte - sonst wäre
sein Blick nicht mehr auf die Spenderin, sondern auf das Almosenschüsselchen
gerichtet. Die Randleiste zeigt hier keine figürliche Darstellung, sondern die
auf den Textblättern gewöhnlich erscheinenden Randornamente, unter denen
die Blumen die Hauptrolle spielen. Ob hierdurch der Illustrator an die
bekannte Legende von der Verwandlung der milden Gaben, welche die
f Chmelarz, a. a. O. S. 436. Im Breviarium Grimani (Taf. 80) stimmen die Hauprgestalten fast völlig
überein. Statt der prächtigen Nebenszene gewahren wir aber dort nur ziemlich einfaches Randornament.
"" Sie fehlt auf dem korrespondierenden Bilde des Breviarium Grimani (Taf. x03).