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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 6 und 7)

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Die eingehende Würdigung. welche der „H0rtulus" mit Rücksicht auf 
seinen ausserordentlichen Wert hier finden musste, gestattet nun einen 
rascheren Blick auf ähnliche, gleichfalls von niederländischen Meistern 
illustrierte Andachtsbücher unserer Ausstellung. Unter diesen steht keines 
dem Hortulus näher als ein aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts 
stammendes lateinisches Gebetbuch (cod. 1858), das seine vornehme 
Bestimmung schon durch den schön verzierten Einband, sowie durch eigen- 
händige Einzeichnungen Karl V., eines Mitgliedes des Hauses Croy und 
anderer ankündigt; Waagen war geneigt, eine Anzahl von Vollbildem dieses 
Manuskripts Meister I-Iorebout zuzuweisen, und Chmelarz erklärt bestimmt 
(Jahrbuch IX, 429, Anmerkung 6), dass unsere Handschrift „mit viel 
grösserem Rechte" zu den Miniaturenwerken dieses Künstlers zu zählen sei, 
als der Codex x859, ein Gebetbuch, dessen Bilder" ihm ebensowenig wie 
Waagen des Schöpfers der herrlichsten Grimani-Breviarbilder würdig 
scheinen. 
Direkte Parallelen zwischen den einzelnen Blättern jenes Breviars und 
unserer Handschrift sind noch nicht gezogen worden; am ehesten liesse sich 
das hier aus der letzteren reproduzierte Blatt, „Auferstehung und jüngstes 
Gericht" darstellend, mit einem Bilde der berühmten Grimani-Handschrift: 
„Die Gerechten werden durch Engel zum Anschauen Gottes gebracht" 
(Taf. XV), dem übrigens die Darstellung auf Blatt 326b unseres I-Iortulus 
fast völlig entspricht, in Beziehung setzen. Die ähnliche Auffassung einzelner 
Gestalten der Auferstandenen und Gerechten, besonders die Darstellung des 
nackten Körpers, gestatten einen solchen Vergleich. Freilich werden auf dem 
Bilde des Breviars (und des Hortulus) die Gerechten auf den Händen, ja 
Schultern der Schutzengel in die Höhe getragen, und Zanotto nimmt in seiner 
Erläuterung des „Facsimile" daran Anstoss - „modo su-ano e incoerente 
alla dignita loro" -, ohne auf den bereits früher angedeuteten Standpunkt 
zu achten, den diese Bildwerke Horebouts einnehmen. In dem Bilde des 
cod. 1858 beschränkt sich der Realismus auf die Darstellung der Auf- 
erstehenden; Christus, auf der krystallenen Weltkugel thronend, Maria, 
Johannes und die Apostel zeugen von edler Auffassung; der bereits typisch 
gewordenen Darstellung dieses Vorwurfs entspricht, dass rechts (vom 
Beschauer aus links) vom Haupte Christi ein Lilienzweig, links ein Richt- 
Schwert ausgeht. Nicht dieser Meisterhand gehören die Kalenderbilder an, 
von denen zwei (Januar, April, von jenem das erste, von diesem das 
zweite Blatt) in Nachbildung vorgelegt werden; einer Erläuterung bedarf es 
nach dem bereits über solche Bilder Gesagten nicht, höchstens des Hinweises 
darauf, dass wir abermals ganz köstliche Genrebilder vor uns haben. 
' Sie waren von Harzen (Archiv f. d. zeichnenden Künste IV, u) in den Kreis der Horebout-Arheiten 
gezogen worden. Waagen hat aber Recht, wenn er den Kunstwerk dieser Bilder sehr mässig nennt. Freilich ist 
dem treßlichen Gelehrten bei der Besprechung dieser Handschrift etwas Menschliches widerfahren: er hat dieses 
Manuskript zweimal kommentiert, ohne zu ahnen, dass es sich um ein und dnsselbe Stück handle (a. n. O. 58 f. 
und 93 6.), und sein erstes Urteil teilweise geändert.
	        
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