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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 6 und 7)

Nach wie vielen Seiten das bis jetzt fast ganz unbekannt gebliebene 
Illustrationswerk dieser Handschrift ausgreift, erkennt man aus den beiden 
andern hier veröffentlichten Proben. Man weiss nicht, worüber man mehr 
lachen soll, über die beiden Affen, die auf Eseln zu einem Stechen reiten und 
an den untern Randschmuck des St. Martinsbildes im Hortulus erinnern, oder 
über den niederländischen Bauer, der, mit ganz entsetzlicher Nase ausgestattet, 
durch Nimbus und Beigabe des drolligen Löwen zum heiligen Marcus 
gestempelt wird. Brillant wirkt aber da wieder die Umrahmung der Textseite, 
wird jedoch an entzückender Schlichtheit der Blumendarstellung durch die 
Randornamente eines deutschen Gebetbuchs, das um die Wende des 
XV. und XVI. Jahrhunderts entstanden sein mag (cod. 2730), noch übertroffen. 
Richtig bemerkt Waagen, dass hier Randleisten und Bilder „durchaus 
niederländische Kunstweise zeigen und einen Beleg bilden, wie weit sich die- 
selbe um diese Zeit verbreitet hatte". 
Schade, dass die bestechende Naturwahrheit, die in den Pflanzen und 
Blütendarstellungen - so in den Palmkätzchen (Hornung) und in dem mit 
einer Stecknadel ans Pergament gehefteten Veilchen (März) -zutage tritt, bei 
der Reproduktion lange nicht so zur Geltung gelangt wie bei dem Original. 
Die sorgfältige Schattengebung ist aber auch auf unseren Bildern wahmehm- 
bar. Eine prächtige Ergänzung hierzu bildet in der nämlichen Handschrift 
der das Bild „Heimsuchung" umschliessende Rahmen. Blumen, Libellen, 
Arabesken wetteifern miteinander in geschmackvoller Darstellung und 
anmutiger Feinheit; mit den andächtigen Mienen der Frauen im Haupt- 
bilde kontrastiert in drolliger Weise der Dudelsackpfeifer, der offenbar Raupe, 
Schnecke und Schmetterling zum Tanz aufspielt. 
Tiefer in das XVI. Jahrhundert führen uns die Bilder eines für König 
Ferdinand I. hergestellten Gebetbuches (cod. 1875). Der Vergleich des hier 
auftretenden Randschmuckes mit dem der eben besprochenen Handschrift 
zeigt, dass die spätere Zeit es bei solchen Prachtstücken nicht an Reichtum 
des Zierats gebrechen lässt, an Eleganz des Vortrags und Erfindungsfülle 
hinter den Miniaturen der Hochblüte aber zurücksteht. Bei den Initialen 
sind Baumastrnotive geschickt verwertet; auf einem Stück des Geästes des 
Anfangsbuchstabens D (omine) sitzt ein Schmetterling. Die von uns gewählten 
Vollbilder: „Verkündigung" und „Geburt Christi" zeigen den Einfluss der 
italienischen Renaissance; die Ausführung ist fleissig und auch im einzelnen 
sehr sorgsam (auf die Darstellung der Verkündigung kommen wir noch später 
zurück) und man hat bei Betrachtung des Ganzen fast den Eindruck, vor 
Kopien von Tafelgemälden zu stehen. 
Bei Vorführung von Proben niederländischer Profanillustration setzt die 
Miniaturenausstellung gleich mit zwei Prachtstücken ersten Ranges ein, die, 
wie wir sofort sehen werden, gemeinsame Behandlung erfordern: „Les 
croniques de Jherusalern abregies" (cod. 2533) und die „Hystoire de Mon- 
seigneur Girard de Roussillon" (cod. 254g). Beide Manuskripte führen uns 
an den Hof Philipps des Guten von Burgund. „Alle Herzoge dieses Hauses,"
	        
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