Renaissancekandelaber verbunden; als Gegenstücke rechts Apoll mit Marsyas
(„eine berühmte antike Kamee, einst im Besitz Lorenzos von Medici des
Erlauchten", Waagen), Claudius, Faustina. Unter der Widmung der gegen-
überstehenden Seite fällt die Füllung der Initiale N auf: König Matthias zieht
auf einem Triumphwagen in Wien ein (1485). Auf der oberen Leiste prangt,
von Tritonen und Kindergenien umgeben, der „corvus"; in kleineren und
grösseren Sechsecken auf den Seitenleisten Embleme, Allegorien, Kameen,
Arabesken. Unten wieder das Wappen in herrlicher Umrahmung.
So gerne man Waagens Urteil zustimmen wird, dass das Ganze „den
Eindruck vollendetster Pracht mache", ebenso sicher ist dieses Bilderwerk
mit seinem Prunk ein Beleg dafür, dass die italienische Miniaturmalerei mit
Attavantes auf jenem Höhepunkt angelangt war, wo ein Weiterschreiten als
ausgeschlossen gelten musste.
Einen Abschluss der italienischen Miniaturmalerei bedeutet auch das
Werk des Kroaten Giulio Clovio, dem der schwierige Versuch, das, was er
bei Michel Angelo und Raphael lernend erschaut, im Kleinbilde zu verwerten,
in überraschend glücklicherweise gelangfi Das beweisen prächtige Miniaturen
seiner Meisterhand, die sich in Rom (Vatikan), in Neapel und London
befinden.
Auch die Hofbibliothek bewahrt eine köstliche Probe seines Könnens
in der zierlichen Handschrift der „Stanze d'Eurialo d'Ascoli, Sopra Pimpressa
de l'Aquila" (cod. 2660), eines Gedichts, das den Kaiser Karl V., seine
Waffentaten und seine Glaubenstreue verherrlicht. Die Handschrift, in
ihrem Texte wahrscheinlich, in ihrem Bilderschmuck sicher ein Unikum,
war in früheren Jahrhunderten bekannter als jetzt und hat, wie Mazzuchelli"
überliefert, die Bewunderung des gelehrten Apostolo Zeno geweckt. Seitdem
blieb das Manuskript weiteren Kreisen ziemlich unbekannt und nichts ist
charakteristischer, als der Umstand, dass der italienische Gelehrte Emilio
Debenedetti, der erst vor ganz kurzer Zeit eine eingehende Studie über
Eurialo d'Ascoliveröffentlichtefw" von der Existenz unserer Handschrift keine
Ahnung zu haben scheint. Das ist nicht so sehr vom Standpunkt der
Literaturgeschichte, wohl aber von dem der Kunstforschung zu beklagengl-
zumal die bisher gebotenen Würdigungen der Miniaturen unserer Hand-
schrift manches zu wünschen übrig lassen. Bradley hat bei Besprechung
derselben (a. a. O., S. 312ff.) nicht eben allzu tiefe Auffassung bewiesen,
und auch Waagen (a. a. O., S. 112) bekennt, bezüglich des Hauptblattes,
„vor einer meist unverständlichen Allegorie" zu stehen.
t Vgl. Bradley, The life and works of Giorgio Giulio Clovio. London xEgr.
H" In seinen „Scrittori d'Italia" I, 2, m58 (Ascoli, Eurialo d').
v" Notizie sulla vita e sugli scritti di Eurialo Moani da Ascoli, Giornale Storico della letteratura
italiana XX (1902), 1 H".
1' Der Lokalpatriotisrnus der Stadt Ascali ist soeben durch unsere Ausstellung angeregt worden, diese
Stanze des Eurialo zu veröffentlichen. Der Sindaco dieser Stadt, Sign. Cesare Cesari, studierte eingehend diese
Handschrift, liess eine Kopie machen und verspricht in einer mir vorliegenden Nummer des „Piceno" (vorn
5.januar 1.1.) baldige Publikation des Textes, die wohl auch über den bildlichen Schmuck des Manuskripts
etwas sagen wird.