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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 8 und 9)

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fruchtbare Schule von Freskomalern auf, an deren Spitze Altichieri und Avanzo stehen 
(Werke z. B. in S. Felice und S. Giorgio in Padua); sie knüpfen an Giotto, doch 
mit viel Selbständigkeit an, Vermittler ist vielleicht Giovanni da Milano. Was geistige Tiefe 
betrifft hinter Giotto zurückstehend, führt Altichieri diese Schule in Hinsicht der Technik 
und der Wirklichkeitsdarstellung, durch Aufnahme zeitgenössischer Typen und Ausbildung 
des Kolorismus um einen guten Schritt nach vorwärts, und Altichieri ist es, der auf die 
südtirolische Kunst grossen Einfluss gewinnt; neben und mit ihm sein Schüler Stefano da 
Zevio, der eine weiche, sentimentale Richtung einschlägt und sich die geschwungene, 
gotische Linienführung zu eigen macht. Wälschtirol und im deutschen Südtirol Bozen, 
Brixen, das Pustertal und die Gegend am Nonsberg zeigen diese Einwirkungen, so die 
Fresken in der Vorhalle von S. Apollinare und im Domchor von Trient, ferner die in zwei 
Reihen übereinander an den Seitenwänden der Vigiliuskapelle am Bozener Kalvarienberg 
angebrachten Wandbilder mit Darstellungen des Martyriums des heiligen Vigilius und 
von Szenen des Marienlebens; die giotteske Richtung zeigt sich in der schlanken Säulen- 
architektur, der veronesische Einfluss in der Charakteristik der Köpfe mit den verschieden- 
artigen Profilstellungen, auch bei der Gewandung. Dahin gehören auch die acht Bilder in 
S. Johann im Dorf und jene in der johanneskapelle zu Brixen. Ein heimischer Meister, 
der unter Beibehaltung der italienischen Technik und der giottesken Umrahmung seiner 
Bilder einen deutschen Einschlag in die Malweise Tirols bringt, ist Hans Stockinger, dessen 
leider argverdorbene Fresken mit Darstellungen aus dem Marienleben in Terlan (XVJahr- 
hundert, Anfang) durch ihre fast wirre Komposition in grossen Gegensatz zur gemessenen 
Ruhe der Italiener treten. Besonders starken Einfluss hat von diesen zweifellos jener 
Stefano da Zevio ausgeübt, wie die Fresken am Portal der Kirche in Gries zeigen; von 
ihm ist es sicher, dass er sich in Tirol aufgehalten hat, am 23. April 1434 hat er bei einer 
Schenkung in Rughiero als Zeuge fungiert. Zu seiner Einllussphäre gehören die Gemälde im 
vierten Gewölbe des Brixener Kreuzganges (vier prächtig gekleidete schlanke Engelfiguren) 
und ein Wandbild der Anbetung, ferner die Bilder in S. Elena bei Deutschenofen. 
Auch die Darstellungen der höiischen Spiele in Runkelstein, besonders das Bild eines 
Ritters in einer der Fensterlaibungen des Schlosses, zeigen offenkundig veronesischen 
Einfluss. Daneben tritt aber immer stärker eine ausgesprochen tirolische Richtung; noch 
sind die Kopfbildungen in veronesischer Art, aber daneben treten immer derbere, echt 
tirolische Motive auf, so vor allem bei Darstellungen der Kreuzigung. Es ist Jakob Sunter, 
der um die Mitte des XV. jahrhunderts der südtirolischen Kunst, wie seine Arbeiten im 
Brixener Kreuzgang und seine Tafelbilder zeigen, ein ganz deutsches Gepräge verleiht, 
der Frauentypus zumal erscheint ganz anders als bisher und völlig umgestaltet die Gewand- 
bildung, die durchwegs brüchige Motive aufnimmt. Der italienische EinHuss verschwindet 
freilich nicht, die Pacher knüpfen neuerlich an Italien an, besonders Friedrich Pacher 
nimmt sich die Paduaner zum Muster, auch hat er wohl in Venedig geweilt, während 
Michael Pacher einen durchaus persönlichen Stil entwickelt. Diese Phase der tirolisehen 
Kunstentwicklung zu veranschaulichen, war die l-lauptabsicht der zu Ehren des Kongresses 
veranstalteten Ausstellung. Die frühesten Zeugnisse der Kunstübung des Landes 
konnten, da sie durchwegs Fresken sind, natürlich nicht beigebracht werden; auch die 
oben besprochene Wende des XIV. und XV. Jahrhunderts konnte nur durch wenige 
Beispiele illustriert werden; aber immerhin verdeutlichen die auf Holz gemalten Tem- 
perabilder einer Kreuzigung und einer Dreieinigkeit, letzteres ein Votivbild der Familie 
Jauffenberg, aus dem Besitz des Chorherrenstifts Neustift, den italienischen, verone- 
sischen Einfluss; dahin gehören auch einige l-Iolzskulpturen aus dem Besitz Sr. Exzellenz 
des Grafen Wilczek. Die Brixener Schule der Mitte des XV. Jahrhunderts, welche im 
Ferdinandeum, im Kloster Wilten und in Brixen so reich vertreten ist, wird durch 
ein Werk, „Tod der heiligen Martha", veranschaulicht. Leider konnte die Schule des 
Jakob Sunter nicht zur Darstellung kommen; das von Semper kürzlich im Wiener 
Hofrnuseum entdeckte, dahin gehörige interessante Doppelbild durfte nicht zur Ver-
	        
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