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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 7
tätig. Im Jahre 1889 habilitierte er sich als Pri-
vafdozent an der technischen Hochschule in Berlin,
1893 wurde er als Professor an die technische Hoch
schule in Dresden berufen, wo er auch mit der Fort
setzung dev von Steche begonnenen „Beschreiben
den Darstellung der Bau und Kunstdenkmäler des
Königreichs Sachsen“ betraut wurde, die er von Heft
16 (Dresden 1894 ' bearbeitete. Er gab heraus: „.Säch
sische Herrensitze und Schlösser“ (mit Hähnel und
Adam, Dresden 1886), „Geschichte des Barockstils,
des Rokoko und des Klassizismus (Stuttgart 1886
89, 3 Bände), „Möbel deutscher Fürstensitze“ (Ber
lin, r886 87), „das Barock- und Rokokoornament
Deutschlands“ (dat. 1886 90), „Im Bürgerhaus, Plau
dereien über Kunstgewerbe“ (Dresden 1888), „Deut
sche Turniere“ etc. (das. 1889), „Kunst und Künst
ler am Vorabend der Reformation“ (Halle 1890),
„Andreas Schlüter“ (Berlin 1891), „Die Albrechts-
burg zu Meißen“ (mit Wanckel, Dresden 1895). „Die
Kunst unter Friedrich dem Weisen“ (das. 1897),
..Die Baukunst Spaniens“ (mit Junghändel und Ma-
drazo, daselbst 1895—99, 3 Bände), „Die Baukunst
Frankreichs“ (das. 1889—1906), „Die deutsche;Kunst
des 19. Jahrhunderts“ (2. Auflage Berlin 1900),,.Hi
storische Städtebilder“ (das. 1900 ff), „Geschichte
der Kunst“ (1902, 2 Bände), „August der Starke“
(2 Bände 1924.)
Sehr interessant ist Gurlitts „Selbstbiographie“,
die er im Jahre 1924 erscheinen ließ.
Das Postarchiv
Kürzlich ging eine Nachricht durch die Blätter,
daß mit dem zcbbruch des Palais Paar in clor
Wollzeile in Wien auch zahlreiche bis dahin dort
deponiert gewesene wichtige Archivalien zur Ge
schichte des altösterreichischen Postwesens als Alt
papier verramscht worden seien. Wie nun die „Wr.
Ztg.“ mitteilt, entspricht diese Nachricht in keiner
Weise den Tatsachen. Wo Irl war das Paarsche Ar
chiv — lange noch vor dem Abbruch des Palais
in Gefahr, als Altpapier verkauft zu werden. Es
ist jedoch vor etwa drei Vierteljahren im letzten
Augenblick von einem bedeutenden Wiener Fach
mann und Sammler angekauft worden und wird nun
mehr durch einen geschulten Historiker sachgemäß ge
sichtet. Es besteht die Absicht, das Archiv nach der
Sichtung -einem der Wiener staatlichen Z e n t r ad a r-
chi-ve als dauernde Leihgabe zu überantworten.
Das Archiv der Fürsten Paar, die bereits in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im österreichischen
Postdienst tätig waren und 1624 das Erbland Post
meisteramt erhielten und es bis zum Anfang des 19.
Jahrhunderts beibehielten, umfaßt reiche Bestände
vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des
;8. Jahrhunderts. Darunter sind die wichtigsten Ak
ten diejenigen, die die Einrichtung des Postwesens in
jenen Ländern betreffen, die vom Reich von den T ü r-
ken zurückerobert wurden, also Ungarn, Siebenbür
gen, Banat, Kroatien v Militärgrenze, Serbien, Wa
lachei. Diese Quellen sind selbstverständlich auch sehr
aufschlußreich zur Geschichte der Kolonisation dieser
des Palais Paar.
Gebiete. Ferner befinden sich darunter wichtige Ak
tenlolgen zur Organisationsgeschichte der Post in
Oesterreich, sowie Dokumente zur geheimen Brief-
Überwachung, die, wie sich nunmehr zeigt, in Oester-
reicli schon im 17. Jahrhundert eingesetzt hat. An
weiteren Bestandteilen wären zu erwähnen Akten
über die Hofreisen, ferner über die österreichische
Post in Italien (Venedig, Mailand, Neapel), über
die polnische Post in Oesterreich usw.
Ein sehr interessanter Bestand betrifft auch die
alte Feldpost namentlich aus den Zeiten des
spanischen Erbfolgekrieges, durch die man Auf
schluß über die Verbindung der einzelnen Trup
penteile untereinander und mit der Etappe erhält.
Das Herrschafts- und Wirtschaftsarchiv betrifft
die Geschichte der böhmischen Güter und der Wiener
Haushaltung der Fürsten Paar und umfaßt den Zeit
raum 1700 bis 1815. Dieser Teil enthält lokal- und
wirtschaftshistorisch überaus interessantes Material, so
zum Beispiel zur Handwerksgeschichte, Künstlerge
schichte, aber auch zur Geschichte eines herrschaftli
chen Haushaltes in der Barockzeit.
Insgesamt handelt es sich bei dem nun endgültig
geretteten Archiv Paar um eine wichtige geschlossene
Quellengruppe zur altösterreichischen Gesamtstaats
geschichte, deren größter Teil nun Oesterreich erhal
ten bleibt, da sich auf dem Familiensitz der Grafen
Paar in B e c h y n e (Tschechoslowakei) nur mehr
eiin kleines geringfügiges Fragment des ehemals sehr
umfangreichen Archivs befindet.
Zwei Jugendbriefe Richard Wagners.
Aus Bayreuth wird uns berichtet:
Die bedeutende Handschriftensammlung der Richard Wag
ner-Gedenkstätte ist um zwei sehr interessante Briefe Wagners
aus seiner Rigaer Zeit bereichert worden.
Der eine, datiert 12, November 1838, an den Heraus
geber der Zeitschrift „Europa“ August Bewald, einem warm
herzigen Förderer junger Talente gerichtet, der be
reits auf den jungen Wagner aufmerksam gemacht hatte, ist
ein eindrucksvolles Zeugnis für den erbitterten Kampf des
Genies um sein Werk. Wagner bittet Bewald sich für ihn bei
S c r i b e in Paris zu verwenden. Wagner hatte nach dem
Roman Königs: „Die hohe Braut“ das Eibretto zu einer
fünfaktigen Oper ausgearbeitet und den Entwurf „in einer
passablen französischen Uebersetzung“ an S c r i b e, den welt
beherrschenden Textdichter der „Hugenotten“ gesandt mit
dem Bemerken, er möge sich, falls ihm das Sujet gefalle, die
leichte Mühe nehmen, es zu „versifizieren“. Wagner ! ä te die O .er
dann komponiert, um unter der Aegide Scribe's in Paris starten
zu können. Alle Tantiemen wären Scribe zugefallen, „das We
nigste, was doch am Ende ein namenloser deutscher Kom
ponist bieten kann“. Da Scribe über ein halbes Jahr nichts ant
wortete, schrieb Wagner nochmals und fügte seinem Brief die
Partitur einer bereits vollendeten komischen Oper: „Das Liebes-
verbot“ oder „Die Novize von Palermo" nach Shakespeare’s
„Maß für Maß" bei und bat ihn, sich von A11 b e r oder
Meierbeer (sic!) ein Urteil über seine musikalische Bega
bung geben zu lassen. Scribe antwortete — es scheint, daß der
erste Brief in Verlust geraten war — und Wagner sandte
eine Partiturabschrift der „Hohen Braut“ ein. Auch darauf
Schweigen. Wagner bittet im Folgenden den Adressat, dessen
hohe journalistische Begabung und dessen uneigennütziges Ein
setzen für junge Talente er gar nicht genug loben kann, um
Vermittlung. Würde Scribe ablehnen, sei es auch weiter nicht
schlimm, denn er arbeite gegenwärtig an einer neuen großen
Oper „Rienzi“. „Dieser Rienzi ist ohne Zweifel noch weit gran
dioser als jenes Sujet. Ich habe ihn in deutscher Sprache vor,
um einmal den Versuch zu machen, ob es die Möglichkeit sei,
ihn binnen 50 Jahren . (soferne Gott das Leben schenkt?), auf
der Berliner großen. Oper zu bringen. Vielleicht gefällt er Scribe
und augenblicklich (?) kann Rienzi französisch singen oder es
wäre dies das Mittel, die Berliner zur Annahme zu stacheln,
wenn man ihnen sagte, die Pariser Bühne sei bereit, ihn anzu
nehmen, man wolle ihnen aber einmal den Vorzug gönnen.“