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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 8 und 9)

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BYAM SHAW Saß VON P. G. KONODY- 
LONDONSP 
AN kann wohl begreifen, dass die Leistungen von Byam 
Shaw den Feinden der königlichen Kunstakademie 
ein Dorn im Auge sind. Wohl mögen die Vertreter 
der neuen Richtung viel an seiner Malweise und 
an dem Stofiinhalt seiner Werke zu tadeln finden; 
nichtsdestoweniger ist er ein glänzender Beweis, 
dass die Schule der Royal Academy nicht als 
Quantite negligeable zu betrachten ist und noch 
manches bedeutende Talent hervorbringt. Damit 
soll allerdings nicht gesagt sein, dass Byam Shaw 
zu den akademischen Malern zu zählen ist. Nein! 
Er ist von ihnen durch einen Golf getrennt, der sich an Weite wohl mit jenem 
messen kann, welcher sich zwischen den Impressionisten und den akademi- 
schen Malern erstreckt. Denn Byam Shaw, der Verzogene Liebling der Royal 
Academy, dem schon in frühesterjugend die schmeichelhafteste Anerkennung 
zuteil wurde, ist, mit Ausnahme des greisen Holman I-Iunt, der hervorragendste 
lebende Vertreter der präraphaelitischen Richtung, woraus zu ersehen ist, 
dass die Schranken der Akademie keineswegs so enge gezogen sind, als dies 
von ihren Feinden behauptet wird. 
Um sich ein Bild über die genaue Stellung Byam Shaw's unter den 
modernen Künstlern Englands zu schaffen, ist es notwendig, mit einigen 
Worten die heute so wohlbekannte Geschichte der präraphaelitischen Be- 
wegung zu rekapitulieren, umsomehr, als der genaue Sinn der so bezeichneten 
Bewegung häufig missverstanden wird. Der poetisch-romantische und religiös 
angehauchte Geist, welcher die wichtigsten Mitglieder der Brüderschaft 
beseelte, ist oft fälschlicherweise als das I-Iauptkennzeichen der Richtung 
angesehen worden. Tatsächlich sind die Prinzipien der Präraphaeliten rein 
technischer Natur. Das Streben dieser Malergruppe war, zu treuer Natur- 
Wahrheit zurückzukehren, die unwahren Atelierschatten und die übermässige 
Anwendung von Asphalt abzuschaffen, Licht und reine Farbe in die Bilder 
einzuführen und die Erscheinungswelt genau in freier Natur zu studieren und 
wiederzugeben. Diese Grundregeln waren keineswegs neu, als sich Rossetti, 
Millais, Holman I-Iunt und die minder bedeutenden Mitglieder des Bundes 
zusammenscharten, um ein feindselig gestimmtes Publikum zur Anerkennung 
zu zwingen. Ford Madox Brown hatte schon Jahre vorher in demselben Sinne 
gearbeitet und den bittern Becher des Hohnes der Unverständigen bis zum 
letzten Tropfen geleert. Dass bei ihm der Erfolg ausblieb, ist wohl dem 
Umstande zuzuschreiben, dass sein Können stets weit hinter seinem Wollen 
zurückblieb. Seine Bilder interessieren heute hauptsächlich dadurch, dass sie 
den endlosen Kampf eines über das eigene Können hinausreichenden Genies 
ausdrücken. 
 
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